Trias
Datenbanken identifiziert und herausgefunden hatten, wo er sich zu welchem Zeitpunkt aufgehalten hatte und wie sein Klarname lautete. Der Weg von ihm zu den beiden Leichen von Spread und Hess wäre dann nur noch kurz. Bevor er zu viel sagte und damit gegen den Kodex eines aufgeriebenen Agenten verstieß, bat er um eine Zahnpflege. Zuvor schlüpfte er in seine Hosen und rückte sie sich über eine der Innentaschen zurecht. Dabei griff er nach einem kleinen, runden Etwas, das er mit der Hand fest umschloss.
»Wir behalten Sie dabei im Auge, falls Sie nichts dagegen haben.« Der Polizist mit der schnarrenden Stimme drückte sich jetzt dicht an McCann heran.
Der Agent nickte stumm, beugte sich über das Waschbecken, und schob sich, von den Beamten unbemerkt, das kleine Etwas in die linke Wangentasche. Dann biss er kräftig zu.
Während McCann noch seine Bürste gebrauchte, spürte er, wie seine Atmung verkrampfte, sein Herzschlag erlahmte und ihm schwindlig wurde. Noch immer vornübergebeugt, begann McCann stark zu zittern, seine Knie gaben nach, er brach zusammen. Von sehr weit weg hörte er die aufgeregten Stimmen der Polizisten. Schaum waberte aus seinem Mund, der wie die Blasen eines starken Spülmittels immer dichter und dichter wurde. Seine Muskelfunktionen erloschen, seine Augen erblindeten, sein Herz hörte auf zu schlagen.
Als sich die Polizisten erschreckt und fassungslos über ihn beugten, war er längst wieder dort, von wo er Minuten zuvor hergekommen war: im Dunkel eines nie geträumten Traums.
5
Berlin, BKA-Hauptquartier, wenig später
Der Freitod von »Edward Miller« erreichte Ermittler Croy und Agent Talo nur kurze Zeit später. Noch war der Himmel blassgelb von den Abermillionen Laternen der Großstadt eingefärbt. Ein typischer Berliner Dezembermorgen: graukalt, ohne Schnee, ohne Romantik, ohne Sinn für diese Jahreszeit. Enttäuscht vom Ausgang des Polizeieinsatzes, sahen sie wortlos auf ihre Ermittlungsakten. Die Schreibtischlampen warfen helle Kegel auf die Mappen.
»Wer schlussendlich auch immer dieser Mann war«, brach es aus Talo heraus, »er tötete sich nach Manier eines Geheimdienstagenten. Zyankalikapseln sind der effektivste Ausweg, einem Verhör zu entgehen.« Croy sah ihn müde an. »Er nahm sein Wissen mit ins Grab. Und das deprimiert mich.«
Nur kurze Zeit später schlug die Berliner CIA-Station Alarm. Nach deren Informationen war die gesamte Führungsspitze des chinesischen Geheimdienstes MSS auf dem Weg nach Deutschland und würde gegen zehn Uhr deutscher Zeit in Frankfurt am Main landen. Die Rede war von drei Männern und einer Frau, die unter falschem Namen und als japanische Diplomaten getarnt reisten. Abgewickelt hatte diese »Spezial-Buchung« der Chef des Booking Office der Air China, ein chinesischer V-Mann der CIA in Langley. Über ihn waren die Sicherheitsbehörden schon seit Jahren im Bilde, welche Personen von China aus in die USA einreisten.
Croy und Talo ärgerten sich zunächst sichtlich erregt darüber, dass die CIA-Kollegen erst jetzt ihre Erkenntnisse weitergegeben hatten. Der zuständige Mitarbeiter begründete die Verspätung mit der neunstündigen Zeitverschiebung zu China. Talo buchte sich in die Frühmaschine ein, die von Berlin nach Frankfurt ging. Sie würde dort gegen acht Uhr landen. Die Observation der Chinesen wollte er persönlich leiten.
Inzwischen hatte auch Kaltenborn das Großraumbüro erreicht. Er nippte an seinem ersten Tee, als die aufgeregte Stimme eines jungen BKA-Aufklärers endgültig seinen Tag einleitete. Die Bürouhr zeigte auf fünf.
»Chef«, rief der junge Mann, »unsere Leute haben da was! Unsere Zielperson bewegt sich in München aus dem Haus. Fährt aus der Innenstadt Richtung Süden.«
»Dranbleiben«, kollerte Kaltenborn, »aber unauffällig. Die Sicherung des Sprengstoffs hat oberste Priorität, dann erst die Unversehrtheit der Zielperson, verstanden?«
Der junge Mann gab die Anweisungen durch sein Mikrofon an die Besatzung eines weißen Volkswagen Passat weiter.
Kaltenborns Beamte waren dem BND-Agenten seit dem vergangenen Abend auf der Spur. Doch Hans Strachow hatte seine Wohnung erst heute Morgen wieder verlassen. In der Nacht hatten ihm die Beamten einen Peilsender unterhalb der Stoßstange angeklebt. Als er in seinem steingrauen Peugeot Kombi in Richtung Grünwald aufbrach, folgten ihm die beiden Beamten unauffällig.
Es war kurz nach sechs Uhr, als der Agent dicht vor dem Haus seines Vorgesetzten Paul Hess
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