Trias
Einen Verdächtigen.«
Ein Summer ertönte, eine stahlbewehrte Tür sprang einen Spaltbreit auf. Der Taxifahrer schritt durch einen kammergroßen Vorraum. Er sah das Fahndungsplakat eines gewissen Paul Graf von Sprock. Der Name sagte ihm nichts, aber die Nase des Mannes erschien ihm bemerkenswert krumm. Am Ende des Vorraums hing eine Schwingtür in einem abgeblätterten Holzrahmen. Er stieß sie auf, woraufhin sie heftig knarrte, und gelangte in einen schmalen Flur, von dem eine Menge weiß lackierter Türen abgingen. Eine davon stand weit offen.
Ein langbeiniger, dünner Mann mit stechend blauen Augen und einem sehr blassen Gesicht kam ihm entgegen. Er konnte Mitte dreißig, aber auch Mitte vierzig sein. Jedenfalls war er kein Grünschnabel mehr.
»Hauptwachtmeister Luger.« Eine schmale, weiche Hand flog ihm entgegen, die der Taxifahrer erstaunt drückte. Er kannte aus seinem Chauffeursleben nur wenige Polizisten, die ihm die Hand geschüttelt hatten.
»Bitte.« Die weiche Hand wies auf einen Stuhl. Der Mann setzte sich und sah sich neugierig um.
»Nun?«
Lugers Augen verbohrten sich in sein müde aussehendes Gegenüber. Der Taxifahrer berichtete in knappen Worten von seiner Fahrt aus Grünwald in die Stadt zum Hotel. Er beschrieb dabei den Chinesen mit den roten Haaren ausführlich.
Die weichen Hände schrieben ein paar Worte auf einen Zettel. Dann entließen sie den Stift und legten sich wieder geruhsam nebeneinander auf den Tisch.
»Was war denn an dem Mann nun verdächtig? Schlitzaugen findet man auf dem Straßenstrich am Hauptbahnhof auch.«
Der Taxifahrer sah verunsichert auf die Gitter vor den Fenstern. Dann sagte er verlegen lächelnd: »Er roch so verdammt stark nach Schweiß, und seine Haare klebten ihm an der Stirn. Er passte einfach nicht in die Gegend. Wer bei mir in Grünwald in ein Taxi steigt, riecht nach teurem Parfüm, hat frisierte Haare und steht nicht verschwitzt an einer dunklen Ausfallstraße unter einer Laterne. Wenn Sie mich fragen, hatte der da eigentlich nichts zu suchen.«
Die Hände des Polizisten bewegten sich wieder und beschäftigten den Stift mit ein paar Worten.
»Wir gehen der Sache nach«, sagte er und blickte bedeutsam auf den Taxifahrer. »Lassen Sie mir Ihre Telefonnummer hier, falls wir Sie nochmals brauchen.«
Der Beamte geleitete seinen Besucher durch den Flur zur Eingangstür und schob ihn dabei leicht von hinten hinaus auf die Straße.
Zurück an seinem Schreibtisch dachte Luger konzentriert darüber nach, ob er es riskieren sollte, einen Ausländer, der sich eines der teuersten Hotels der Stadt leisten konnte, mitten in der Nacht wegen einer Personenkontrolle zu belästigen. Immerhin konnte man nicht ausschließen, dass der Unbekannte ein Diplomat, Geschäftsmann oder sogar ein Politiker war. Vielleicht hatte er einfach nur mit einer Frau der feinen Münchner Gesellschaft seinen Spaß gehabt. Andererseits erinnerte Luger sich daran, dass oft am Anfang nur ein harmloser Hinweis und am Ende ein imposanter Ermittlungserfolg standen.
Der Hauptwachtmeister beorderte über Funk einen Streifenwagen zurück aufs Revier, besprach kurz sein weiteres Vorgehen und lief die paar Schritte hinüber zum Hotel. Die Concierge am Eingang war an diesem Abend nicht mehr besetzt. Der Polizist hielt sich nach links, durchquerte einen schmalen Gang und kam nach wenigen Schritten in einen saalähnlichgroßen Raum, in dem eine leicht geschwungene Treppe hoch zu einer Galerie führte. Die Rezeption war darunter eingebaut und wirkte etwas eingezwängt. Der Nachtportier stand an einem Tresen aus rotem Kirschholz. Er war ein alerter junger Mann mit rosigen Wangen, mit Gel in den blonden Haaren und Hunderten von Sommersprossen auf Stirn und Nase. Seine Augen rannten geschäftig hin und her, als ihm der Polizist seinen Dienstausweis zeigte.
»Ich suche einen Mann mit folgender Beschreibung.« Der Polizist sagte, was er wusste, und fügte dann an: »Der Asiate kam vor etwa eineinhalb Stunden zurück ins Hotel. Er spricht offensichtlich nur Englisch.«
Der Portier gab sich konzentriert und trieb nebenher seine Computermaus mit einer seltsamen Geschmeidigkeit über das Gummi-Pad. Mit einem Fingerdruck rief er das Programm mit der Übersicht der Buchungen auf.
»Könnte ein Amerikaner sein«, sagte er mit einer Stimmlage in Falsett. Er schaltete seinen Gesichtsausdruck auf wichtig.
»Hier... Sein Name ist Miller. Edward Miller aus New York. Ein Geschäftsmann, denke ich. Wir haben
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