Trias
mich jemand am Flughafen fast drangekriegt hätte?«
Malichovas Augen wechselten zu Violett. »Kaltenborn hat mich kurz davon unterrichtet. Es tut mir leid …«
»Wer wusste davon, dass ich mich mit Ihnen treffen wollte?«, fragte Croy eisig.
Sie vergrub eine Hand in ihrer Tasche und brachte ein Taschentuch zum Vorschein. Sie schnäuzte sich.
»Ich habe einen Kollegen im Wirtschaftsministerium, der für uns als Dolmetscher arbeitet. Er ist sehr zuverlässig und hat einige Übersetzungen für Ihre Kollegen beim BKA gemacht. Sie erinnern sich? Von ihm bekamen Sie die Informationen über die Art des Sprengstoffs, der beim Anschlag auf die Eisenbahn in Madrid verwendet wurde. Nur er wusste von mir, dass Sie kommen würden. Er heißt Kovarik.«
Croy zuckte zusammen. Von einem Mann dieses Namens hatte sein Gefangener gesprochen.
»Wo ist dieser Kovarik jetzt?«
»In seinem Büro, nehme ich an.« Sie entnahm ihrer Tasche ein Päckchen Petra , zog mit ihren lackierten Fingernägeln eine Zigarette heraus und zündete sie an.
Croy traute ihr nicht. Er fragte: »Aus dem Verhör mit einem der ungebetenen Gäste am Flughafen erfuhr ich von Hunderten Tonnen ausrangiertem Semtex-Sprengstoff. Was wissen Sie darüber? Ich sitze nicht hier, weil ich in Prag Urlaub mache. Also?«
Sie sah ihn unsicher an. Croy hatte jetzt seinerseits den Eindruck, dass sie ihm nicht traute. Sie entschloss sich zu reden.
»Neben C4-Sprengstoff, der auch noch heute verwendet wird, stellte die damalige ČSSR den so genannten Y3-Sprengstoff her. In seiner Zusammensetzung unterschied er sich nur unwesentlich von C4. Das Y3 ist in Semtin, einem Vorort von Pardubice, hergestellt worden; die Reste werden dort auch noch in einem Salzschacht gelagert. Die Abnehmer saßen in der ganzen Welt, aber vor allem in Syrien, Iran, Irak, dem Libanon und Libyen. Die NATO glaubte lange, die tschechische Armee hätte die gesamten Altbestände vernichtet. Dem ist aber nicht so. Und über die Jahre sind den Herstellern auf dubiose Weise immer wieder ganze Pakete abhanden gekommen.«
Die durch das Fenster hereinfallende schummrige Novembersonne zeigte auf ihrem Gesicht deutliche Spuren eines braunen Make-ups. Als sie hinaussah, ritten Möwen auf den Wellen des Flusses und spreizten dabei ihre Flügel. Sie genossen die letzten Sonnenstrahlen eines kalten Novembervormittags.
»Ihr Land hat während des Kalten Krieges gut daran verdient«, sagte der Ermittler und sah dabei auf ihr Profil. »Wenn man das Zeug nur für die Sprengungen im Berg- oder Tunnelbau eingesetzt hätte, wäre dies auch nicht ehrenrührig gewesen. Doch spätestens seit Lockerbie, den Anschlägen auf die amerikanische Botschaft in Paris und das Concertgebouw in Amsterdam hat Semtex ein hässliches Image.«
»Eben«, entgegnete sie und wandte sich vom Fenster ab.
»Wie gesagt: Zu militärischen Zwecken hat die tschechische Armee immer noch jede Menge davon. Nicht zuletzt durch die Eingliederung in die NATO ist Y3 jedoch überflüssig geworden. Deshalb wollte das Prager Verteidigungsministerium schon im Februar diesen Jahres 150 Tonnen per öffentliche Ausschreibung verkaufen. Das Teuflische an dem Zeug ist, dass es von den Überwachungsdetektoren der Flughafenkontrollen nicht erkannt wird, weil ihm die heute üblichen Markierungen fehlen. Deshalb auch das Nachfolgeprodukt C4, das man nicht einfach so durch Sicherheitsschleusen schmuggeln kann.«
Croy wusste Bescheid. »Y3 hat eine etwas andere Zusammensetzung als der herkömmliche Semtex-Sprengstoff. Aber er ist ebenso auf Trommeln aufgewickelt, ist biegsam, formbar und enthält nichts Metallisches.«
»Deshalb kommt man mit dem Zeug auch durch jeden Metalldetektor. Sie sind wirklich gut informiert, Herr Croy«, sagte sie anerkennend und zündete sich gleich noch ein Räucherstäbchen an. Sie hatten noch immer nichts bestellt. Der Kellner, ein Tscheche mit rundem Kopf, Glatze und einer schwarzen Fliege auf einem rot-weiß gestreiften Hemd, sah schon seit einiger Zeit missmutig zu ihnen herüber. Croy winkte ihm zu. Er bestellte für sich einen Kafe s mlekem, einen simpel aufgebrühten Kaffee mit Milch; Malichova nahm Tschernej Chaj s zitronem, schwarzen Tee mit Zitrone. Der Blick des Kellners wurde keine Spur freundlicher.
»Ein Verkauf kam glücklicherweise nicht zustande. In letzter Konsequenz hätte der Sprengstoff in die Hände von Terroristen gelangen können. Doch es gibt ein weiteres Problem, dessen sich die tschechischen Beamten bisher
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