Trias
eher ausschalten?«, fragte Hess lauernd.
»Menschenskinder«, entfuhr es Strachow. »Wenn die Sache schiefgeht, kommen wir aus dem Knast nicht mehr lebend raus.«
»Da geht nichts schief. Sie haben doch ab sofort hoffentlich alles unter Kontrolle, oder?« Hess erhob sich schnaufend, lief um seinen Schreibtisch herum und legte dem Agenten die feisten Pranken auf die Schultern.
Strachow machte sich frei und erhob sich ebenfalls. Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und sah zum Fenster auf das Hofgelände hinaus, das mit Lichtschranken umbaut war und jede noch so kleinste Bewegung registrierte. Er drehte sich auf den Hacken um und sagte: »Ich kümmere mich um zwei Flanken. Die Beobachtung von Rumpfs Ehefrau und die Observierung von Markus Croy. Sobald irgendetwas darauf hindeutet, dass sie auf Trias stoßen, ziehen wir sie aus dem Verkehr.«
»Und ich schlage Alarm wegen dieser längst abgelegten Drohbriefe an die Botschaft in Kiew. Wär’ doch gelacht, wenn uns niemand glauben würde, dass durch den Außenministerwechsel vor ein paar Jahren einiges liegen geblieben oder ungelesen in die Archive gewandert ist. Anhand dieser geballten Informationen wird das BKA noch heißer auf die Ukrainer werden. Wie bewerten Sie, dass Kaltenborn den alten Stasi-Fritzen Michael Storm reaktiviert hat? Könnte der uns gefährlich werden? Was weiß der Mann, was uns nicht gefallen könnte?« Hess keuchte. Es waren mal wieder viel zu viele Sätze auf einmal.
»Storms Kenntnisse über Optik- und Lichtleitertechnik sind gut, aber nicht auf dem neuesten Stand«, antwortete Strachow beflissen.
»Sehen Sie trotzdem zu, dass sich Storm bei seinem Auftrag nicht zu wohl fühlt. Vielleicht steigt er ja doch aus. Kriegen Sie das hin?«
»Okay.« Strachow leckte sich über die Lippen, tippte Hess beim Verlassen des Raumes auf die Schultern, zog gleichzeitig sein Funktelefon aus der Tasche und hielt es sich vor der Tür ans Ohr. Durch die Fenster gegenüber sah ihn Hess im Flur auf- und abgehen und gestenreich in sein Telefon hineinreden. Als Hess wenig später in die Waschräume stampfte, schallte Musik aus Strachows Büro über den Gang: Nancy Sinatras Bang, Bang .
I was 5 and he was 6
we rode on horses made of sticks
he will black and I will white
he would always win the fight
bang bang
he shoot me down
bang bang
I hit the ground
bang bang
that awful sound
bang bang
my baby shoot me down
20
Café Slavia, Prager Altstadt, zur gleichen Zeit
An den Prager Stammtischen drehten seit Jahren die Geschichten über Vaclav Havel blumige Pirouetten. Der ehemalige tschechische Präsident stand den Kommunisten immer sehr kritisch gegenüber und wurde so zum Symbol einer Freiheit, von der die Tschechen mehr als fünf Jahrzehnte träumten.
Dass Malichova im Café Slavia ausgerechnet jenen Tisch reserviert hatte, an dem der ehemalige Staatspräsident oft getafelt hatte, berührte Croy.
Zde sedel Vaclav Havel war in die Tischkante eingeprägt - hier saß Vaclav Havel.
Es war der beste Tisch mit Blick auf die Mala-Strana-Brücke und den Fluss. Der riesige Gastraum war in eine Nichtraucher- und eine Raucherzone eingeteilt. Zwischen dieser Front verlief eine Wand, in der eine Schwingtür hing.
Gabriela Malichova sah aus wie Mitte dreißig, trug das blond gebleichte Haar streng nach hinten frisiert und hatte ein blaues Hütchen keck mit Klammern auf dem Hinterkopf befestigt. Sie war in ein beigefarbenes Wollkleid gekleidet und hatte auf den Lippen zu viel Rot. Es steckten zwei Ringe an ihren Fingern, die zu groß für die zierlichen Hände und sicherlich ziemlich teuer gewesen waren. Sie schimmerten beide matt golden und hatten fast die Farbe ihrer Haare.
Zur Begrüßung nickte sie befangen, streifte das Kleid glatt, setzte sich und verströmte dabei einen Geruch von Thymian und Minze. Croy verschlug es den Atem. Er ließ sich zur Stuhllehne zurückfallen.
»Sie sind sehr pünktlich, Frau Malichova.« Sie hätte es beinahe nicht rechtzeitig geschafft. Ihre Sekretärin hatte ihr noch einen zusätzlichen Termin in den ohnehin sehr engen Tagesplan gedrückt. Als Leiterin der Technologieabteilung im tschechischen Wirtschaftsministerium war sie vor allem für den Export tschechischen Know-hows verantwortlich und als Verhandlungspartnerin entsprechend begehrt.
Sie lächelte etwas verkniffen.
»Tschechen sind zuverlässig«, sagte sie.
»Ach ja?«, entgegnete er und sah ihr direkt in die hübschen Veilchenaugen. »So zuverlässig, dass
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