Trias
sehr früh, wie leicht Menschen auf Grund ihrer Stärken oder Schwächen zu beeinflussen waren, und nutzte diese Erkenntnis radikal aus. Wer bei ihm arbeitete, hatte eine eigene Akte, die gierig auf Futter war. Fehler, Erfolge, Eitelkeiten, fachliche Stärken oder charakterliche Schwächen seiner zwölf Mitarbeiter notierte er ohne deren Wissen. Versagte seiner Meinung nach ein Agent, verweigerte er ihm kurzerhand den Trog mit geheimen Informationen - und schlimmer kann es für einen Geheimen kaum kommen.
Die Nachrichten aus Prag lösten bei Paul Hess Magengrimmen aus. In barschem Ton rief er seinen Agenten Hans Strachow zu sich. Er war einer seiner besten Männer. Dessen Akte war noch dünn. Das musste nicht so bleiben.
Strachows Job war der einer Drohne in einem Bienenstaat. Allerdings war er nicht eine Drohne unter vielen, sondern ein besonderes Exemplar. Strachow hatte schon einigen Chefs als verdeckter BND-Ermittler gedient, doch unter Hess hatte er es am längsten ausgehalten
Die Bürotür stand offen. Hess las eine Boulevardzeitung, wie sie jeder liest: blätternd und mit raschem Blick.
»Guten Morgen, Strachow. Schlecht geschlafen? Sie sehen müde aus.« Er warf das bunte Blatt achtlos zur Seite und wies auf einen Stuhl.
Strachow war erst spät nachts aus Prag gekommen. Dass die Aktion am Flughafen ein Reinfall gewesen war, machte ihn kleinlaut und vorsichtig. Ihm schwante Unheil. Die Beschattung von Katja Kirchner und das anschließende Verhör zuvor in Berlin waren zwar Routine gewesen, hatten aber zusätzlich an seinen Nerven gezerrt.
»Fassen wir mal zusammen«, japste der BND-Mann, der unter heftigem Übergewicht litt.
»Das BKA hat in Prag ein paar Funken geschlagen und dabei einen alten Bekannten von uns versengt. Der andere ist kassiert und wird verhört. Was ich nicht verstehe …«, Hess beugte den massigen Leib mühsam zu seinem Gegenüber vor, »… ist, warum die beiden Kerle sich am Flughafen so unendlich dämlich angestellt haben. Oder waren Sie in der Vorbereitung zu lax, Strachow?«
Der Agent beugte sich nun seinerseits vor und sagte: »Beide haben versagt, zugegeben. Dafür haben sie sich in Görlitz bewährt.«
»Das interessiert mich nicht! Sie sind geschnappt worden. Was ist, wenn sie singen wie Amseln?«
Strachow zuckte betroffen zusammen und fiel in die Rückenlehne zurück. Dabei klemmte er sich seinen Zopf. Er jaulte kurz auf. Jammernd sagte er: »Wir wollten ja Croy nicht umlegen, sondern einschüchtern, um Zeit zu gewinnen.«
Hess sah ihn entgeistert an.
»Wie naiv sind Sie eigentlich? Glauben Sie etwa, der wäre mit vollen Hosen wieder in sein geheimes Nest nach Treptow zurückgeflogen?«
Strachow starrte sprachlos auf Hess. Er mochte es nicht, von seinem Vorgesetzten gedemütigt und zurechtgestutzt zu werden.
»Unsere Operation ist eine verdammt heiße Kartoffel«, erregte sich Hess erneut. »Die Rächerlegende von Ukrainern und Weißrussen muss funktionieren. Unsere Auftraggeber verlassen sich auf uns.«
Strachow sah aus dem Fenster auf die kahlen Bäume des Innenhofs. Als Hess ihn vor einigen Wochen in den brisanten Plan der Vereitelung des Drei-Länder-Geschäfts eingeweiht hatte, hatten ihn jene Aussichten gelockt, die bislang nur in seinen kühnsten Obsessionen Platz gehabt hatten: Von Anwerbung über Bestechung bis Liquidierung waren alle Zutaten dabei, die er sich als Geheimdienstagent insgeheim wünschte. Trias roch nach großem Abenteuer, nach heißen Fährten, nach echter Observation und Abwehr, nach Kampf, Revolvern und Pulverdampf: eben nach einem richtigen Bäng-Bäng . Strachow war beeindruckt von den Chancen und ergriff sie kühl und mit Berechnung. Was ihm nicht gefiel: Ihre Auftraggeber setzten sie nach Belieben unter Druck. Und wer der Große Vorsitzende hinter all den Vereitelungsplänen und Liquidierungen war, wusste nur Hess. Aber eigentlich waren sie beide nichts als Werkzeuge - und ließen sich dafür teuer bezahlen.
»Wer könnte noch, außer dem Regierungstrio, von Rumpfs Doppelspiel wissen? Offiziell kannten ihn alle als Staatssekretär, der die wilde Sau bei der Visa-Affäre spielte. Wer aber weiß noch von seiner Rolle bei Trias außer der Kanzlerin und ihren beiden Vizekanzlern? Seine Ehefrau?« Hess japste erneut nach Luft.
»Um das herauszufinden, haben wir ja ihre Freundin. Sie wird uns vorsingen, was Emma Rumpf ihr zugezwitschert hat«, passte sich Strachow jetzt dem Büroslang an.
»Müssten wir nicht vorsichtshalber Emma Rumpf
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