Trias
noch zu wenig bewusst sind …« - Malichova kramte erneut nach ihrem Taschentuch. »Entschuldigung, das Wetter …«
Er nickte ungeduldig.
»Der Sprengstoff muss heute gekennzeichnet sein, um bei Sicherheitskontrollen auch erkannt zu werden. Tschechien hat dazu die internationale Vereinbarung zur Kennzeichnung von Plastiksprengstoff unterschrieben, die hierzulande seit Mitte des Jahres 1998 verbindlich ist. Aus dieser Vereinbarung geht hervor, dass jede Vertragsseite innerhalb von drei Jahren dafür sorgen muss, dass von deren Armee oder Polizei verwahrter Sprengstoff nach NATO-Standards zu behandeln oder andernfalls zu vernichten ist. Dies ist in Tschechien bisher nicht erfolgt.«
Der Kellner brachte die Getränke. »Prosim«, sang er im typischen Prager Slang.
»Es wundert mich nicht, dass Ihr deutscher Staatssekretär durch Y3 umgekommen ist«, sagte sie dann.
»Warum?«, fragte er überrascht.
»Wir haben Hinweise, dass etwa seit Juli mehr als 500 Kilogramm Y3 in Semtin vermisst werden. Wir wissen nicht, wohin es gegangen ist. Fakt ist aber: Es ist weg, und kein Detektor der Welt kann es erkennen.«
»Haben Sie das dem BKA damals mitgeteilt?«, fragte er sie und spürte einen undefinierbaren Magendruck.
»Ich weiß es auch erst seit der Untersuchung aus dem BKA-Labor«, log sie und sah dabei wieder eigenartig unbeteiligt aus dem Fenster.
»Scheint ja eine eigenwillige Ordnung in der vielleicht gefährlichsten Firma der Welt zu herrschen, hm?« Croy griff nach ihrem Handgelenk. Ihr Kopf flog heftig zu ihm herum. »Ist Ihnen eigentlich klar, was diese Informationen bedeuten? Es ist ungeheuerlich!«
»Au, Sie tun mir weh!« Sie versuchte vergeblich, sich aus seinem Klammergriff zu befreien.
»Was wissen Sie noch erst seit gestern? Dass Ihr feiner Dolmetscher den Auftrag gab, mich am Flughafen umzulegen? Steckt ihr bei dem Abgang des Y3 vielleicht alle unter einer Decke?« Seine linke Faust hielt ihr Handgelenk jetzt hart umschlossen. Mit der rechten Hand führte er sein Kaffeeglas zum Mund und nippte bescheiden. »Wie viel von dem Zeug lagert noch in Semtin?«, fragte er gallig.
»Wenn wir richtig informiert sind, etwa 150 Tonnen.« Sie wand sich vor Schmerzen.
»Das Zeug muss verschwinden. Endgültig.«
»Das wissen wir auch. Doch wie wollen Sie das anstellen?«
Er ließ sie wieder frei. Sie rieb sich das Handgelenk.
»Das Zeug wird von Männern aus früheren Staatssicherheitsdiensten bewacht. Eine solche Menge in die Luft zu sprengen würde bedeuten, eine Stadt von der Größe Prags vollständig zu evakuieren.«
Er gab sich ungerührt. »Alles, was ich brauche, ist ein Ausweis mit Namen als Controller Ihres Ministeriums. Und einen Dienstwagen, wie Sie ihn benutzen.« Croy wunderte sich jetzt selbst über seine markigen Worte. Er hatte weder den Auftrag noch die Lizenz, in einem fremden Land den Aufräumer zu spielen. Doch ein plötzlich aufkommendes Gefühl innerer Stärke sagte ihm, dass nur einer diese Arbeit erledigen konnte: er selbst. Croy stand auf, seine Augen verrieten Entschlossenheit. Malichova entging dieser Blick nicht.
»Ist das nicht etwas übereilt?«, hielt sie dagegen.
»Ich werde mich mit Kaltenborn besprechen. Er wird sicher ähnlich denken. Der Stoff gehört in jedem Fall aus der Welt. Wissen Sie, was man mit einhundertfünfzig Tonnen Plastiksprengstoff anstellen kann?«
»Terroranschläge verüben und jede Menge Menschen töten«, meinte sie nüchtern.
»Oder Tausende Selbstmordattentäter aussenden«, spann Croy weiter.
Malichova erhob sich und sagte: »Sie können sich auf mich verlassen.«
Sie griff nach ihrer Handtasche, ihrem Mantel, schob den Stuhl an den Tisch und verließ grußlos das Lokal. Croy sah ihr fassungslos hinterher. War er zu aggressiv gewesen? Er war unsicher, was er von ihr halten sollte. Einerseits wusste sie viel, andererseits machte sie einen merkwürdig hilflosen Eindruck. Er sah, wie sie den Rest ihrer Zigarette vor der Tür in den Staub warf.
Um Michael Storm zu kontaktieren, brauchte Croy einen Internetanschluss. Eine Herna erschien ihm am sichersten. Diese Art des Gesellschaftslokals mit Billardtischen, einarmigen Banditen und Glücksautomaten war so alt wie die Tschechische Republik selbst. Tschechen sehen das Leben gern als Spiel.
Er schrieb Storm eine E-Mail und verlangte nach einem Treffen noch in diesen Tagen. Storms elektronische Kenntnisse, so sein Kalkül, könnten ihm von Nutzen sein, wenn er die Sprengstofflager in Semtin zu
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