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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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Parolen skandierten.
    »Pack«, murmelte McCann. Er war der Sohn einer Chinesin und eines Iren und verabscheute die Regimekritiker seines Landes. Sie waren in seinen Augen nicht reif, die große Idee Chinas zu begreifen. Und für eine solche hielt McCann die Verknüpfung von Staatssozialismus und liberalem Wirtschaftssystem. Nur auf diese Weise konnte es seiner Meinung nach gelingen, China die geistige, politische und wirtschaftliche Vorherrschaft im pazifischen Raum auf ewige Zeit zu sichern.
    Spreads Vertrauensmann stellte sich in einen Hauseingang, von dem aus er die Tiefgaragenausfahrt gut im Blick hatte.
    Zwei Jahre war es her, dass er Ling Yu über eine Freundin bei einem Abendessen kennen und fürchten gelernt hatte. Sie feierten damals den zehnten Jahrestag ihres New-York-Aufenthalts bei Pekingente, Glasnudeln, Morcheln und zwei Litern französischem Sancerre. Die attraktive Ling saß neben ihm, verströmte ein atemberaubendes Parfum und trug ein orangefarbenes Seidenkleid, das nicht viel Zweifel daran ließ, wie fraulich der chinesische Gast war. McCann dankte seiner Freundin Laura im Stillen für die Tischnachbarin, auch wenn ihm immer noch niemand erzählt hatte, wer sie eigentlich war. Zunächst sparten sie ihre Jobs aus und sprachen über ihre Familien in Amerika und China, über die wilde Kulturszene in Brooklyn und über die immer schlechter werdende Qualität mancher feiner Chinarestaurants zwischen Mott Street und Columbus Park.
    »Da haben wir schon mal die Chance, New York unseren Stempel aufzudrücken«, erregte sich McCann, »und dann muss man von vergammeltem Fisch oder gepanschtem spanischem Reserva lesen.«
    »Na, wenn Sie bedenken«, parierte Ling Yu lachend, »dass sich auf knapp zwei Quadratmeilen nahezu einhundertfünfzigtausend Chinesen drängen - diesem wirklich kleinen Fleckchen zwischen Lafayette, Worth, Grand Street und East Broadway -, dann wundert es mich nicht, dass darunter ein paar hundert schwarze Schafe sind.« Doch ehe sie ihren Disput fortführen konnten, begann Laura die angeblich neuesten Übernahmegerüchte unter den Buchverlagen zu verbreiten, was Ling Yu dazu nutzte, sich am Thema Job festzubeißen. Sie hörte auffällig interessiert zu, was McCann über die Firma Autumn Leaves Inc . zu berichten hatte, während sie mal chinesisch und mal amerikanisch miteinander sprachen.
    Heute wusste McCann, warum: Ling Yu war auf der Suche nach einem Informanten, den sie bei Thomas Gordon Spread platzieren konnte, und Laura war offensichtlich eingeweiht. Obwohl es ihm als Finance Controller verboten war, Firmeninterna auszuplaudern, wirkten der Weißwein, Lings Anziehungskraft und seine Eitelkeit wie ein Türöffner zu seinem Wissen. Er erzählte Geschichten über die Kreuzverbindungen zwischen amerikanischem Kongress, Fachausschüssen und den Beratertätigkeiten des FIES . Über die Beeinflussbarkeit von Senatoren hatte er pikante Anekdoten parat und ließ dabei nicht unerwähnt, dass vom Weißen Haus unterschriebene Schecks sehr regelmäßig im Haus am Rector Place eingingen.
    Ling Yu bekam glühende Ohren. Sie wusste nun, dass sie mit dem Halbchinesen Alister Hu McCann auf den richtigen Mann gestoßen war, den es jetzt nur noch zu ködern galt. Dass Geld kein Lockmittel sein würde, war ihr klar. Sie griff nach dem einfachsten Mittel der Geheimdienste und fragte: »Sind Sie denn sicher, in New York bleiben zu können, Mr. McCann?« Diese Frage überraschte ihn. Er griff nach seiner Serviette und wischte sich über den Mund.
    »Mich brächte nichts mehr zu meinen Vorfahren zurück, wenn Sie das meinen. New York ist meine Heimat geworden. Außerdem …«, er lachte etwas zu laut, »sind mir Dollars lieber als Yuans.«
    Ling Yu lächelte jetzt ebenfalls. »Ja, wir Chinesen passen uns schnell an neue Gegebenheiten an. Da haben Sie recht. Aber Sie wissen ja: Wir sind ein großes Volk, ein gut ausgebildetes Volk, und für jeden Auslandschinesen gibt es massenweise Ersatz in China, der nur darauf wartet, die frei gewordene Position eines chinesischen Staatsbürgers einzunehmen.« Während sie ihn mit ihren dunklen, fein geschnittenen Augen ansah, fühlte er plötzlich eine unbestimmte Kälte, die von ihr ausging. Der Frost erreichte ihn, er fühlte Unbehagen.
    »Ach, reden wir doch lieber über unsere Familien …«, meinte er, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben.
    Sie hatte ihn verunsichert. Doch sie legte nach.
    »Und gerade in Finanzangelegenheiten sind ja die meisten

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