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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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Menschen ersetzbar, es sei denn, sie sind in höchst vertrauliche Dinge eingeweiht.«
    »Eben«, sagte McCann trocken. »Was meine Arbeitgeber angeht, genieße ich das höchste Vertrauen.«
    »Aber auch Sie könnten Fehler machen.«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil Sie vielleicht nichts dafür können.«
    »Wer sollte daran interessiert sein, dass ich Fehler mache?«
    »Es könnte Leute geben, die denken, dass Sie sich für einen im Sinne unserer Ideale erzogenen Chinesen zu sehr den imperialistischen Ideen Ihrer Arbeitgeber untergeordnet haben. Ja, sogar von ihnen so profitieren, dass Sie im Grunde gar kein Chinese mehr, sondern ein - verzeihen Sie dieses harte Wort - Verräter sind.«
    Ling Yu wandte den Blick von McCann auf ihr Weinglas, auf das der Name des Restaurants eingraviert war. Sie ließ ihre Worte wirken, die bei McCann voll ins Schwarze trafen.
    »Wie kommen Sie darauf, dass meine Seele gekauft ist?«, erwiderte er erregt. »Ich glaube an die große chinesische Sache, und niemand von den amerikanischen Langnasen könnte mich vom Gegenteil überzeugen. Wirklich nicht.« Er nahm einen tiefen Schluck.
    »Dann beweisen Sie es«, sagte Ling Yu freundlich, aber fest im Ton.
    »Was sollte ich beweisen, das schon da ist?«, fragte McCann unbeholfen zurück.
    »Hören Sie«, antwortete Ling Yu streng. »Sie verdienen 9 000 Dollar im Monat, verwalten jährlich Summen in sechsstelliger Höhe und gehören zu einer Beratungsfirma, deren Einfluss in der amerikanischen Regierung so enorm ist wie die des Zentralkomitees unseres großartigen Landes. Wir …«, und da versprach sie sich, ohne es zu bemerken, »haben das Gefühl, dass Sie bereits von der Farbe des Geldes geblendet sind.«
    Spreads Buchhalter wurde langsam wütend. Seine gute Erziehung verhinderte, dass er sie anpöbelte. Stattdessen sagte er scharf: »Wer ist denn wir ? Sind Sie auf der Welt, um in New York lebende Chinesen zu kontrollieren und, wenn Sie Lust dazu haben, in die nächste Maschine nach Peking zu setzen?«
    Ling Yu ärgerte sich jetzt furchtbar über ihren Versprecher. Doch wenn sie einen Mann wollte, der ohne Firlefanz eine Menge wichtiger Informationen absaugte, musste sie McCann als Quelle gewinnen, egal, wie viel Galle er vorher spuckte.
    »Ich hatte vorhin vergessen, mich vorzustellen«, sagte sie mit vor Freundlichkeit triefender Stimme. »Ling Yu vom chinesischen Ministerium für Staatssicherheit, Residentin am chinesischen Konsulat. Wir sind zu Ihrem und dem Schutz aller im Ausland lebenden Chinesen hier.« Sie hob ihr Glas.
    McCann war so verdutzt, dass auch er das Glas hob. Sie stieß mit ihm an und sagte mit fester Stimme: »Auf die chinesische Revolution!«
    McCann, dem nicht entging, wie aufmerksam sie ihn bei ihrem Trinkspruch beobachtete, antwortete: »Darauf trinke ich doch gern.«
    Als sie ihre Gläser absetzten, sagte Ling Yu: »Unsere Revolution muss täglich bewahrt und weiterentwickelt werden. Und dafür brauchen wir Sie, Mr. McCann.« Er nickte nur und ahnte, was ihn erwartete. Dass er keine Chance hatte, dieses Angebot abzulehnen, war ihm vollkommen klar.
    Seine folgende Ausbildung übernahmen Spezialisten des chinesischen Geheimdienstes. Er opferte seinen Urlaub und viele Stunden seiner Freizeit. Agenten bildeten ihn in Nahkampftechnik aus, brachten ihm das zielsichere Schießen bei und stärkten seine Psyche bei einem längeren Aufenthalt in einem Shaolinkloster in der chinesischen Provinz Henan.
    Er als informeller Mitarbeiter und Ling Yu als seine Führungsoffizierin waren mittlerweile so eng miteinander verwoben wie gute Koalitionäre einer Zwei-Parteien-Regierung. Ling Yu war Agentin mit Leib und Seele, McCann hingegen eher ein Zweifler, der allerdings erkannt hatte, wie sehr ihm seine Verbindungen zum MSS nutzten. Unterschiedliche Ansichten regelten sie bei gemeinsamen Essen oder klärenden Gesprächen an neutralen Orten.
    Heute, nach zwei Jahren ihrer Zusammenarbeit, galt McCann als eine der herausragenden Quellen Pekings. Ohne ihn wären die Pläne zu Trias wohl nie ins Reich der Mitte gedrungen - Pläne, die im Pekinger Regierungspalast für ein Erdbeben gesorgt hatten.
     
    Endlich öffnete sich die Schranke, und ein dunkelblauer Ford Maverick schoss in schneller Fahrt aus dem Dunkel der Tiefgarage ins Dämmerlicht des späten Nachmittags. McCann löste sich vom Hauseingang und überquerte die Straße. Der Wagen hielt kurz, er stieg ein, Ling Yu beugte sich zu ihm nach hinten und sagte knapp: »Gute Arbeit,

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