Tricks
hinaus auf die Straße zu gehen.
Sie lief nicht über den Parkplatz, sondern in die andere Richtung und suchte Schatten. Sie hörte Joanne schon sagen, dass der Mann ihre Tasche längst eingesteckt hatte, um sie seiner Frau und seiner Tochter mitzubringen, so waren die alle an solchen Orten. Sie sah sich nach einer Bank oder einer niedrigen Mauer um, weil sie sich hinsetzen wollte, um zu überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte. Sie vermochte nirgendwo eine zu entdecken.
Ein großer Hund näherte sich ihr von hinten und stieß sie im Vorbeilaufen an. Es war ein dunkelbrauner Hund mit langen Beinen und arrogantem, störrischem Gesichtsausdruck.
»Juno. Juno«, rief ein Mann. »Pass doch auf.«
»Sie ist einfach jung und ungezogen«, sagte er zu Robin. »Sie denkt, der Bürgersteig gehört ihr. Sie ist nicht bösartig. Haben Sie Angst gehabt?«
Robin sagte: »Nein.« Sie war völlig mit dem Verlust der Tasche beschäftigt gewesen und hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass ein Angriff von einem Hund zu allem Unglück noch hinzukommen könnte.
»Wenn die Leute einen Dobermann sehen, haben sie oft Angst. Dobermanns stehen in dem Ruf, bissig zu sein, und sie ist dazu ausgebildet, bissig zu sein, wenn sie ein Wachhund ist, aber nicht, wenn sie spazieren geht.«
Robin konnte kaum eine Hunderasse von der anderen unterscheiden. Wegen Joannes Asthma hatten sie nie Hunde oder Katzen gehabt.
»Schon gut«, sagte sie.
Statt weiterzugehen bis dort, wo die Hündin Juno wartete, rief ihr Besitzer sie zurück. Er machte die Leine, die er in der Hand hielt, an ihrem Halsband fest.
»Ich lasse sie unten auf dem Rasen frei laufen. Unterhalb des Theaters. Das gefällt ihr. Aber hier oben müsste sie angeleint sein. Ich war nachlässig. Ist Ihnen nicht gut?«
Robin war gar nicht überrascht von dieser Wendung des Gesprächs. Sie sagte: »Ich habe meine Handtasche verloren. Es war meine Schuld. Ich habe sie beim Waschbecken in der Damentoilette vom Theater liegen lassen, und ich bin zurückgegangen, um sie zu suchen, aber sie war weg. Ich bin nach dem Stück einfach rausgegangen und habe sie dagelassen.«
»Welches Stück gab es heute?«
»
Antonius und Kleopatra
«, sagte sie. »Mein Geld war drin und meine Bahnfahrkarte nach Hause.«
»Sie sind mit dem Zug gekommen? Um
Antonius und Kleopatra
zu sehen?«
»Ja.«
Sie erinnerte sich an die Ratschläge, die ihre Mutter ihr und Joanne über Zugfahrten oder Fahrten irgendwohin erteilt hatte. Stecke immer ein paar zusammengefaltete Geldscheine an der Unterwäsche fest. Außerdem, lasse dich nie auf ein Gespräch mit einem fremden Mann ein.
»Worüber lächeln Sie?«, fragte er.
»Ich weiß nicht.«
»Sie können ruhig weiterlächeln«, sagte er, »denn es wird mir eine Freude sein, Ihnen das Geld für den Zug zu leihen. Wann fährt er ab?«
Sie teilte es ihm mit, und er sagte: »Gut. Aber vorher müssen Sie etwas essen. Sonst werden Sie Hunger haben und die Zugfahrt nicht genießen. Ich habe nichts bei mir, denn wenn ich Juno ausführe, nehme ich kein Geld mit. Aber es ist nicht weit bis zu meinem Laden. Kommen Sie mit, und ich hole welches aus der Ladenkasse.«
Sie war bis jetzt zu sehr in Gedanken gewesen, um zu bemerken, dass er mit einem Akzent sprach. Aber mit welchem? Nicht Französisch oder Holländisch – diese beiden meinte sie heraushören zu können. Französisch aus der Schule und Holländisch von den Einwanderern, die manchmal Patienten im Krankenhaus waren. Und dann fiel ihr noch auf, dass er davon gesprochen hatte, sie solle die Zugfahrt genießen. Niemand, den sie kannte, würde je davon sprechen, dass ein erwachsener Mensch eine Zugfahrt genießen könnte. Er aber hatte davon gesprochen, als sei das etwas ganz Natürliches und Notwendiges.
An der Ecke der Downie Street sagte er: »Wir gehen hier lang. Mein Haus ist gleich da hinten.«
Er sagte
Haus
, während er vorher Laden gesagt hatte. Aber es konnte ja sein, dass sein Laden in seinem Haus war.
Sie machte sich keine Sorgen. Hinterher wunderte sie sich darüber. Ohne einen Augenblick zu zögern hatte sie sein Hilfsangebot angenommen, ihm gestattet, sie zu retten, es ganz natürlich gefunden, dass er auf seinen Spaziergängen kein Geld dabei hatte, aber welches aus seiner Ladenkasse holen konnte.
Ein Grund dafür war vielleicht sein Akzent. Einige der Krankenschwestern machten sich über den Akzent der holländischen Farmer lustig – hinter deren Rücken, natürlich. Also hatte Robin es sich
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