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Tricks

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Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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kommt mit dem Feigenkorb, in dem die Viper ist, und sie machen irgendwie Witze. Ich glaube, das hat mir gefallen, weil man das dann nicht erwartet. Ich meine, mir haben noch mehr Szenen gefallen, mir hat alles gefallen, aber das war anders.«
    »Ja«, sagte er. »Mir gefällt das auch.«
    »Haben Sie das Stück gesehen?«
    »Nein. Ich spare jetzt mein Geld. Aber ich habe mal viel Shakespeare gelesen. Studenten lesen ihn, wenn sie Englisch lernen. Tagsüber habe ich alles über Uhren gelernt, nachts habe ich Englisch gelernt. Was haben Sie gelernt?«
    »Nicht so viel«, sagte sie. »Nicht in der Schule. Danach habe ich das gelernt, was erforderlich ist, um Krankenschwester zu werden.«
    »Man muss viel lernen, um Krankenschwester zu werden. Das denke ich.«
    Danach sprachen sie über die Kühle des Abends, wie willkommen sie war, und dass die Nächte merklich länger geworden waren, obwohl noch der ganze August vor ihnen lag. Und über Juno, die hatte mitkommen wollen, aber sich sofort hinlegte, als er sie ermahnte, dass sie bleiben und den Laden bewachen musste. Dieses Gespräch kam ihnen mehr und mehr wie ein vereinbarter Vorwand vor, wie eine konventionelle Tarnung für das, was die ganze Zeit über zwischen ihnen immer unvermeidlicher, immer notwendiger wurde.
    Aber im Licht des Bahnhofs verschwand sofort alles Verheißungsvolle oder Geheimnisvolle. Leute standen am Schalter Schlange, und er stellte sich hinten an, wartete, bis er an der Reihe war, und kaufte ihre Fahrkarte. Sie gingen auf den Bahnsteig hinaus, wo Fahrgäste warteten.
    »Wenn Sie mir Ihren vollen Namen und Ihre Adresse auf einen Zettel schreiben«, sagte sie, »schicke ich Ihnen das Geld sofort.«
    Jetzt wird es passieren, dachte sie. Und
es
war eben nichts. Jetzt wird nichts passieren. Auf Wiedersehen. Vielen Dank. Ich werde das Geld schicken. Das hat keine Eile. Vielen Dank. Gern geschehen. Trotzdem vielen Dank. Auf Wiedersehen.
    »Gehen wir doch hier lang«, sagte er, und sie gingen den Bahnsteig entlang vom Licht fort.
    »Es ist besser, Sie lassen das mit dem Geld. Es ist so wenig, und vielleicht kommt es gar nicht hier an, weil ich sehr bald fortgehe. Manchmal ist die Post langsam.«
    »Aber ich muss es Ihnen doch zurückzahlen.«
    »Dann werde ich Ihnen sagen, wie Sie es mir zurückzahlen sollen. Hören Sie mir zu?«
    »Ja.«
    »Ich werde im nächsten Sommer hier im selben Haus sein. Im selben Laden. Ich werde spätestens im Juni da sein. Im nächsten Sommer. Sie werden sich also Ihr Stück aussuchen und mit dem Zug herkommen und in den Laden kommen.«
    »Dann zahle ich es Ihnen zurück?«
    »O ja. Und ich werde etwas zu essen machen, und wir werden Wein trinken, und ich werde Ihnen alles erzählen, was sich in dem Jahr ereignet hat, und Sie werden mir alles erzählen. Und ich möchte noch eines.«
    »Was?«
    »Sie werden dasselbe Kleid tragen. Ihr grünes Kleid. Und dieselbe Frisur.«
    Sie lachte. »Damit Sie mich wiedererkennen.«
    »Ja.«
    Sie waren am Ende des Bahnsteigs angelangt, und er sagte: »Achtung«, dann: »Geht es?«, als sie hinunterstiegen auf den Schotter.
    »Es geht«, sagte Robin mit einem Schlingern in der Stimme, entweder wegen des unsicheren Schotteruntergrundes oder weil er sie jetzt bei den Schultern gefasst hatte und dann mit den Händen über ihre bloßen Arme fuhr.
    »Es ist wichtig, dass wir uns begegnet sind«, sagte er. »Das denke ich. Denken Sie das auch?«
    Sie sagte: »Ja.«
    »Ja. Ja.«
    Seine Hände glitten unter ihren Armen durch um ihre Taille, und sie küssten sich wieder und wieder.
    Das intime Gespräch der Küsse. Zart, versunken, furchtlos, verwandelnd. Als sie aufhörten, zitterten beide, und nur mit einiger Anstrengung gelang es ihm, seine Stimme in die Gewalt zu bekommen, damit sie halbwegs sachlich klang.
    »Wir werden keine Briefe schreiben, Briefe sind keine gute Idee. Wir werden uns nur in Erinnerung behalten, und im nächsten Sommer werden wir uns treffen. Du brauchst mich nicht zu benachrichtigen, nur zu kommen. Wenn du immer noch so empfindest, wirst du einfach kommen.«
    Sie hörten den Zug. Er half ihr auf den Bahnsteig, dann berührte er sie nicht mehr, sondern ging rasch neben ihr her und suchte nach etwas in seiner Tasche.
    Unmittelbar, bevor er sie verließ, gab er ihr einen zusammengefalteten Zettel. »Ich habe das geschrieben, bevor wir aus dem Laden weggegangen sind«, sagte er.
    Im Zug las sie seinen Namen.
Danilo Adžić
. Und die Worte:
Bjelojevici
. Mein Dorf.
    *
    Sie ging vom

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