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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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benutzte.
Schicksal
.
Liebster
. Nicht
Freund
.
Liebster
. Manchmal dachte sie an die beiläufige, widerwillige Art, mit der er von den Ein- und Ausreisemöglichkeiten dieses Landes gesprochen hatte, und dann hatte sie Angst um ihn, malte sich finstere Machenschaften, kinoreife Verschwörungen und Gefahren aus, in die er verwickelt war. Wahrscheinlich war es nur gut, dass er sich gegen Briefe entschieden hatte. Ihr Leben wäre ganz darin aufgegangen, sie zu schreiben und auf sie zu warten. Schreiben und warten, schreiben und warten. Und natürlich, sich Sorgen zu machen, wenn sie nicht eintrafen.
    Sie hatte jetzt etwas, was sie ständig mit sich herumtrug. Sie war sich eines Glanzes bewusst, der auf ihr ruhte, auf ihrem Körper, auf ihrer Stimme, auf allem, was sie tat. Deshalb ging sie anders, lächelte ohne Grund und behandelte die Patienten ungewöhnlich liebevoll. Es bereitete ihr Genuss, sich ganz auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren, und das brachte sie fertig, während sie ihren Pflichten nachging, während sie mit Joanne zusammen zu Abend aß. Die kahle Wand des Zimmers mit den Rechtecken streifigen Lichts, das durch die Jalousien fiel. Das rauhe Papier der Zeitschriften mit den altmodischen, gezeichneten Illustrationen anstelle von Pressefotos. Die dicke irdene Schale mit den gelben Streifen ringsum, in der er das Stroganoff serviert hatte. Die Schokoladenfarbe von Junos Schnauze und ihre schlanken, kräftigen Beine. Dann die kühle Luft auf den Straßen und die Düfte aus den öffentlichen Blumenbeeten und die Straßenlaternen am Fluss, um die sich eine ganze Welt kleiner Insekten tummelte.
    Das flaue Gefühl im Magen, dann der Hieb, als er mit ihrer Fahrkarte zurückkam. Aber danach der Spaziergang, die gemessenen Schritte, das Hinuntersteigen vom Bahnsteig auf den Schotter. Der Schmerz an den Füßen, als sie mit ihren dünnen Sohlen auf die scharfen Schotterkanten trat.
    Nichts verblasste, so oft sie es sich auch ins Gedächtnis rief. Ihre Erinnerungen und die Verschönerungen, die sie daran vornahm, gruben sich immer tiefer ein.
    »Es ist wichtig, dass wir uns begegnet sind.«
    »Ja. Ja.«
    *
    Als der Juni kam, ließ sie sich Zeit. Sie hatte sich noch nicht für das Stück entschieden und auch noch nicht ihre Kartenbestellung abgeschickt. Schließlich fand sie es am besten, den Jahrestag zu wählen, den gleichen Tag wie letztes Jahr. Das Stück an dem Tag war
Wie es euch gefällt
. Ihr kam der Gedanke, dass sie einfach in die Downie Street gehen konnte, ohne sich vorher mit dem Stück abzugeben, denn sie würde zu aufgeregt und abgelenkt sein, um viel davon mitzubekommen. Sie war jedoch abergläubisch und hatte Angst davor, den Tagesablauf zu ändern. Sie besorgte sich die Karte. Und sie brachte ihr grünes Kleid in die Reinigung. Sie hatte es seit jenem Tag nicht mehr getragen, aber sie wollte, dass es vollkommen frisch und so gut wie neu war.
    Die Frau, die in der Reinigung das Bügeln besorgte, hatte in dieser Woche einige Tage gefehlt. Ihr Kind war krank. Aber es wurde versprochen, dass sie wieder da sein würde, dass das Kleid am Samstagmorgen fertig sein würde.
    *
    »Ich sterbe«, sagte Robin. »Ich sterbe, wenn das Kleid morgen nicht fertig ist.«
    Sie schaute zu Joanne und Willard hinüber, die am Tisch Rommé spielten. Sie hatte sie so oft in dieser Haltung gesehen, und nun war es möglich, dass sie sie nie wieder sah. Wie weit fort sie doch waren von dieser Spannung und Herausforderung, diesem Wagnis ihres Lebens.
    Das Kleid war nicht fertig. Robin dachte daran, es trotzdem mitzunehmen und selbst zu bügeln, befürchtete dann aber, sie würde zu nervös sein, um es gut hinzukriegen. Zumal unter Joannes kritischen Blicken. Sie ging sofort in die Innenstadt, zu dem einzigen Konfektionsgeschäft, das infrage kam, und hatte Glück, so meinte sie, ein anderes grünes Kleid zu finden, das genauso gut passte, aber gerade geschnitten war, und ärmellos. Außerdem war es nicht avocadogrün, sondern lindgrün. Die Frau in dem Geschäft sagte, Lindgrün sei die Farbe des Jahres und weite Röcke und Wespentaillen seien aus der Mode gekommen.
    *
    Durch das Zugfenster sah sie, dass es zu regnen begann. Sie hatte keinen Regenschirm dabei. Und ihr gegenüber saß jemand, den sie kannte, eine Frau, der erst vor wenigen Monaten im Krankenhaus die Gallenblase entfernt worden war. Diese Frau hatte eine verheiratete Tochter in Stratford. Überdies war sie der Meinung, wenn zwei Leute, die sich kannten, sich im

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