Tricks
gelassen. Jetzt hatte er nichts mehr dagegen, und allein den Namen auszusprechen trug dazu bei, dass sie ihm ein helleres und zärtlicheres Gefühl entgegenbrachte, was unter den gegenwärtigen Umständen eine Hilfe war.
»Zum Beispiel hat er einen Abscheu gegen Teppiche entwickelt.«
»Teppiche?«
»Er geht so im Zimmer herum«, sagte Nancy und zeichnete in der Luft ein Quadrat. »Ich musste alle Möbel von den Wänden abrücken. Runde um Runde um Runde.« Unerwartet und ein wenig entschuldigend lachte sie.
»Ach, hier drin sind einige, die das tun«, sagte Tessa mit einem Nicken, mit der bestätigenden Miene einer Sachkundigen. »Sie wollen nicht, dass irgendetwas zwischen sie und die Wand kommt.«
»Und er ist sehr abhängig.
Wo ist Nancy?
geht es die ganze Zeit. Ich bin die Einzige, der er noch traut.«
»Ist er gewalttätig?« Tessa sprach wieder als jemand vom Fach.
»Nein. Er ist aber misstrauisch. Er glaubt, die Leute kommen herein und verstecken Dinge vor ihm. Er glaubt, jemand geht herum und verstellt die Uhren und sogar das Datum auf der Zeitung. Dann wieder, wenn ich jemandes gesundheitliche Probleme erwähne, ist er plötzlich klar und stellt eine völlig richtige Diagnose. Der Verstand ist schon eine verrückte Angelegenheit.«
Da. Wieder ein Tritt ins Fettnäpfchen.
»Er ist verwirrt, aber er ist nicht gewalttätig.«
»Das ist gut.«
Tessa stellte eine Kuchenform ab und löffelte Füllung auf den Boden aus einer großen Konservendose, auf deren Etikett nur
Blaubeere
stand, kein Firmenname. Die Füllung sah ziemlich dünn und klebrig aus.
»Hier, Elinor«, sagte sie. »Deine Reste.«
Elinor hatte direkt hinter Nancys Stuhl gestanden – Nancy hatte darauf geachtet, sich nicht zu ihr umzuschauen. Jetzt glitt Elinor an den Tisch, ohne aufzuschauen, und knetete die Teigstreifen, die das Messer abgeschnitten hatte, zusammen.
»Dieser Mann ist aber tot«, sagte Tessa. »So viel weiß ich.«
»Von welchem Mann redest du?«
»Von diesem Mann. Diesem Freund von dir.«
»
Ollie?
Du meinst, Ollie ist tot?«
»Weißt du das nicht?«, sagte Tessa.
»Nein. Nein.«
»Ich dachte, du wüsstest es. Hat Wilf es nicht gewusst?«
»
Weiß
Wilf es nicht«, sagte Nancy automatisch, ihren Mann verteidigend, indem sie ihn unter die Lebenden holte.
»Ich dachte, er wüsste es«, sagte Tessa. »Waren sie nicht verwandt?«
Nancy antwortete nicht. Natürlich hätte sie bedenken müssen, dass Ollie tot sein könnte, wenn Tessa hier war.
»Dann hat er es wohl für sich behalten«, sagte Tessa.
»Das hat Wilf immer gut gekonnt«, sagte Nancy. »Wo ist das passiert? Warst du bei ihm?«
Tessa wiegte den Kopf, was nein bedeuten konnte oder, dass sie es nicht wusste.
»Ja, und? Was hat man dir denn gesagt?«
»Niemand hat mir was gesagt. Keiner wollte mir je was sagen.«
»Ach, Tessa.«
»Ich hatte ein Loch im Kopf. Lange Zeit.«
»Wie damals, als du Dinge wusstest?«, fragte Nancy. »Erinnerst du dich?«
»Sie haben mir Gas gegeben.«
»Wer?«, fragte Nancy streng. »Was meinst du damit, sie haben dir Gas gegeben?«
»Die, die hier bestimmen. Die haben mir Nadeln gegeben.«
»Eben hast du Gas gesagt.«
»Die haben mir Nadeln gegeben und auch das Gas. Um meinen Kopf heil zu machen. Damit ich mich nicht mehr erinnern kann. An einiges erinnere ich mich, aber es fällt mir schwer zu sagen, wie lange es her ist. Das Loch im Kopf, das hatte ich sehr, sehr lange.«
»Ist Ollie gestorben, bevor du hierher gekommen bist, oder danach? Du kannst dich nicht
erinnern
, wie er gestorben ist?«
»Ach, ich habe ihn gesehen. Sein Kopf war in einen schwarzen Mantel eingewickelt. Mit einem Strick um den Hals zugebunden. Jemand hat ihm das angetan.« Sie presste für einen Augenblick die Lippen fest zusammen. »Jemand hätte auf den elektrischen Stuhl gehört.«
»Vielleicht war das ein Albtraum, den du gehabt hast. Oder vielleicht hast du etwas durcheinandergebracht.«
Tessa hob das Kinn, als wolle sie etwas klären. »Das da nicht, das habe ich nicht durcheinandergebracht.«
Die Schockbehandlungen, dachte Nancy. Hinterließen Schockbehandlungen Löcher im Gedächtnis? In den Unterlagen musste doch etwas davon stehen. Sie würde noch einmal mit der Oberschwester sprechen.
Sie sah sich an, was Elinor mit den Teigresten machte. Sie hatte sie geschickt geformt und klebte Köpfe und Ohren und Schwänze daran. Kleine Teigmäuse.
Mit einer raschen, jähen Bewegung machte Tessa Luftschlitze in die Decke der Kuchen. Die
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