Tricks
Nachmittag wurde an die Haustür geklopft. Niemand benutzte die Haustür – Juliet stellte fest, dass sie ein wenig klemmte.
Der Mann, der draußen stand, trug ein gut gebügeltes gelbes Hemd mit kurzen Ärmeln und eine hellbraune Hose. Er war vielleicht ein paar Jahre älter als sie, hochgewachsen, aber eher schwächlich, etwas hohlbrüstig, trotzdem energisch in seiner Begrüßung, unnachgiebig in seinem Lächeln.
»Ich bin gekommen, um die Dame des Hauses zu besuchen«, sagte er.
Juliet ließ ihn stehen und ging in das Wintergartenzimmer.
»Da ist ein Mann an der Tür«, sagte sie. »Vielleicht will er etwas verkaufen. Soll ich ihn abwimmeln?«
Sara setzte sich mühsam auf. »Nein, nein«, sagte sie atemlos. »Mach mich ein bisschen hübsch, ja? Ich habe seine Stimme gehört. Es ist Don. Mein Freund Don.«
Don hatte schon das Haus betreten und war draußen vor der Tür zum Wintergarten zu hören.
»Keine Aufregung, Sara. Ich bin's nur. Sind Sie salonfähig?«
Mit ausgelassenem, strahlenden Gesichtsausdruck griff Sara fahrig nach der Bürste, dann gab sie es auf und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Fröhlich rief sie: »So salonfähig wie nur irgend möglich. Kommen Sie herein.«
Der Mann erschien, eilte auf sie zu, und sie streckte ihm die Arme entgegen. »Sie riechen nach Sommer«, sagte sie. »Was ist das?« Sie befingerte sein Hemd. »Frisch gebügelt. Gebügelte Baumwolle. Das ist aber nett.«
»Hab ich selbst gebügelt«, sagte er. »Sally ist in der Kirche und murkelt mit den Blumen herum. Gar nicht schlecht, wie?«
»Tadellos«, sagte Sara. »Aber Sie wären beinahe nicht reingelassen worden. Juliet hat Sie für einen Vertreter gehalten. Juliet ist meine Tochter. Meine liebe Tochter. Ich hab's Ihnen doch erzählt? Ich habe Ihnen erzählt, dass sie kommt. Don ist mein geistlicher Beistand, Juliet. Mein Freund und geistlicher Beistand.«
Don richtete sich auf und ergriff Juliets Hand.
»Gut, dass Sie hier sind – es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Und Sie hatten gar nicht so unrecht. Ich bin eine Art Vertreter.«
Juliet belächelte höflich den geistlichen Witz.
»Welcher Kirche gehören Sie an?«
Diese Frage brachte Sara zum Lachen. »O je – jetzt sind wir verraten und verkauft, was?«
»Ich bin Trinitarier«, sagte Don mit seinem unentwegten Lächeln. »Und von wegen verraten und verkauft – mir ist nicht neu, dass Sara und Sam keiner der Kirchen in der hiesigen Gemeinde verbunden sind. Ich komme einfach immer wieder vorbei, weil Ihre Mutter so eine bezaubernde Dame ist.«
Juliet wusste nicht mehr, ob die Trinitarier den Anglikanern oder eher den Unitariern zuzurechnen waren.
»Würdest du Don einen vernünftigen Stuhl besorgen, Schatz?«, sagte Sara. »Er muss sich über mich beugen wie ein Storch. Und eine kleine Erfrischung, Don? Wie wär's mit einem Eierflip? Juliet macht mir immer einen köstlichen Eierflip. Nein. Nein, das ist wohl zu schwer. Sie sind gerade aus der Hitze draußen hereingekommen. Einen Tee? Der ist auch heiß. Ingwerbier? Einen Fruchtsaft? Was für Fruchtsaft haben wir, Juliet?«
Don sagte: »Ich brauche wirklich nichts, höchstens ein Glas Wasser. Das wäre nett.«
»Keinen Tee? Wirklich nicht?« Sara war völlig außer Atem. »Aber ich hätte gern Tee. Sie trinken doch bestimmt eine Tasse mit. Juliet?«
*
Allein in der Küche – Irene war im Garten zu sehen, heute hackte sie die Bohnenbeete – überlegte Juliet, ob der Tee eine List war, um sie für ein vertrauliches Zwiegespräch aus dem Zimmer zu schicken. Für ein Zwiegespräch, vielleicht sogar für ein Gebet? Die Vorstellung widerte sie an.
Sam und Sara hatten nie einer Glaubensgemeinschaft angehört, obwohl Sam einmal, zu Beginn ihres Lebens hier, zu jemandem gesagt hatte, sie seien Druiden. Es hatte sich herumgesprochen, dass sie einer Glaubensgemeinschaft angehörten, die in der Stadt nicht vertreten war, und diese Information hatte bewirkt, dass sie um einen Grad höher eingestuft wurden als ohne jede Religionszugehörigkeit. Juliet selbst war eine Weile lang zur Sonntagsschule der Anglikanischen Kirche gegangen, wenn auch hauptsächlich, weil sie mit einem anglikanischen Mädchen befreundet war. Sam hatte in der Schule nie dagegen rebelliert, jeden Morgen etwas aus der Bibel vorlesen und das Vaterunser beten zu müssen, ebensowenig wie dagegen, »God Save the Queen« zu singen.
»Man muss eben abwägen, wann man sich auf die Hinterbeine stellt und wann nicht«, hatte er
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