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Tricks

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Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Augenblick später: »Ich begreife es nicht.«
    »Frag sie doch«, sagte Juliet. »Willst du doch sicher wissen, bei deinen Gefühlen für sie.«
    Schweigend fuhren sie ein oder zwei Meilen weiter, bevor er etwas sagte. Es war klar, dass sie ihn gekränkt hatte.
    »Ich weiß gar nicht, wovon du redest«, sagte er.
    *
    »Happy, Brummbär, Seppl, Schlafmütz, Hatschi«, sagte Sara.
    »Chef«, sagte Juliet.
    »Chef. Ja,
Chef
. Happy, Hatschi,
Chef
, Brummbär, Pimpel, Hatschi … Nein. Hatschi, Pimpel, Chef, Brummbär …
Schlafmütz
, Happy, Chef, Pimpel …«
    Sie hatte an den Fingern mitgezählt und sagte: »Waren das nicht acht?«
    »Wir sind mehr als einmal hingefahren«, fuhr sie dann fort. »Wir nannten es immer die Wallfahrt zum Erdbeerkuchen – ach, wie gerne möchte ich da mal wieder hin.«
    »Heute ist nichts mehr da«, sagte Juliet. »Ich konnte nicht mal mehr sehen, wo es war.«
    »Ich hätte es bestimmt gesehen. Warum bin ich nicht mitgefahren? Ein Sommerausflug. Wie viel Kraft braucht man für eine Fahrt im Auto? Daddy sagt immer, ich habe nicht die Kraft.«
    »Du bist mitgekommen, um mich abzuholen.«
    »Ja, das bin ich«, sagte Sara. »Aber er wollte es nicht. Ich musste Krach schlagen.«
    Sie langte hinter sich, um die Kissen unter ihrem Kopf hochzuziehen, was ihr aber nicht gelang, also tat Juliet es für sie.
    »Verflixt«, sagte Sara. »Was bin ich doch für ein nutzloses Frauenzimmer. Aber ein Bad würde ich, glaube ich, schaffen. Was, wenn Besuch kommt?«
    Juliet fragte sie, ob sie jemanden erwartete.
    »Nein. Aber was, wenn jemand kommt?«
    Also brachte Juliet sie ins Badezimmer, und Penelope krabbelte ihnen hinterdrein. Dann, als das Wasser eingelassen und ihre Großmutter hineingehievt worden war, entschied Penelope, dass das Bad auch für sie da sein musste. Juliet zog sie aus, und das kleine Kind wurde zusammen mit der alten Frau gebadet. Obwohl Sara nackt kaum wie eine alte Frau aussah, sondern eher wie ein altes Mädchen – ein Mädchen, das seit langem an einer seltenen auszehrenden und austrocknenden Krankheit litt.
    Penelope nahm die Nähe ihrer Großmutter ohne Protest hin, hielt aber an ihrem eigenen gelben Stück Seife in Entenform fest.
    In der Badewanne konnte Sara sich schließlich dazu überwinden, sich auf Schleichwegen nach Eric zu erkundigen.
    »Er ist bestimmt ein sehr netter Mann«, sagte sie.
    »Manchmal«, sagte Juliet gleichmütig.
    »Er war so gut zu seiner ersten Ehefrau.«
    »Seiner einzigen Ehefrau«, verbesserte Juliet sie. »Bis jetzt.«
    »Aber ich bin sicher, jetzt, wo du das Kind hast – ich meine, du bist glücklich. Du bist doch bestimmt glücklich.«
    »So glücklich, wie mit einem Leben in Sünde vereinbar ist«, sagte Juliet und überraschte ihre Mutter damit, dass sie einen tropfnassen Waschlappen über deren eingeseiftem Kopf auswrang.
    »Das meine ich doch«, sagte Sara, nachdem sie sich mit einem freudigen Juchzer geduckt und die Hände vors Gesicht geschlagen hatte. Dann: »Juliet?«
    »Ja?«
    »Du weißt, dass ich es nicht ernst meine, wenn ich über Daddy je etwas Hässliches sage. Ich weiß, dass er mich liebt. Er ist nur einfach unglücklich.«
    *
    Juliet träumte, sie sei wieder ein Kind und in diesem Haus, obwohl die Anordnung der Zimmer etwas anders war. Sie schaute aus dem Fenster eines der fremdartigen Zimmer und sah einen Bogen aus Wasser in der Luft funkeln. Das Wasser kam aus dem Gartenschlauch. Ihr Vater bewässerte mit dem Rücken zu ihr den Garten. Eine Gestalt bewegte sich zwischen den Himbeersträuchern und war nach einer Weile als Irene zu erkennen – wenn auch eine kindlichere Irene, quirlig und fröhlich. Sie wich dem Wasser aus dem Gartenschlauch aus. Sie versteckte sich, tauchte wieder auf, meistens erfolgreich, für einen Augenblick aber wurde sie immer erwischt, bevor sie wegrannte. Das Spiel sollte heiter und unbeschwert sein, aber Juliet hinter dem Fenster sah angewidert zu. Ihr Vater kehrte ihr immer nur den Rücken zu, trotzdem glaubte sie – irgendwie
sah
sie es –, dass er den Schlauch tief hielt, vor seinem Körper, und lediglich die Tülle hin- und herbewegte.
    Der Traum war durchdrungen von Ekel und Entsetzen. Nicht die Art von Entsetzen, die sich von außen an die Haut drängt, sondern die Art, die sich durch die engsten Blutgefäße schlängelt.
    Als sie erwachte, war dieses Gefühl noch lebendig. Sie fand den Traum beschämend. Durchsichtig, abgeschmackt. Ein Auswuchs ihrer schmutzigen Phantasie.
    *
    Mitten am

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