Tricks
Stunden war alles bereit. Die Nachricht hatte sich herumgesprochen – irgendwie trafen selbst nach so kurzer Frist Frauen mit Speisen und Getränken ein. Es war Ailo, die alles in die Hand nahm – mit ihrem skandinavischen Blut, ihrer aufrechten Haltung und ihren wehenden weißen Haaren schien sie prädestiniert für die Rolle der Seemannswitwe. Kinder tobten auf den Holzscheiten herum und wurden von dem wachsenden Scheiterhaufen verscheucht, dem eingehüllten und erstaunlich schmalen Bündel, das Eric war. Eine große Thermoskanne mit Kaffee wurde für diese halb heidnische Zeremonie von den Frauen einer der Kirchen zur Verfügung gestellt, und Bierkästen sowie Flaschen mit allen möglichen alkoholischen Getränken blieben vorläufig diskret in Kofferräumen und Lastwagenkabinen.
Es erhob sich die Frage, wer eine Rede halten sollte und wer den Scheiterhaufen in Brand setzen sollte. Sie fragten Juliet, ob sie es tun wolle? Und Juliet, die schrill und geschäftig Becher mit Kaffee austeilte, antwortete, dass sie an der falschen Adresse seien, als Witwe sei es ihre Aufgabe, sich in die Flammen zu stürzen. Sie lachte sogar, als sie das sagte, und die, die sie gefragt hatten, zogen sich zurück, aus Angst, sie könnte hysterisch werden. Der Mann, der am häufigsten mit Eric zusammen hinausgefahren war, willigte ein, das Anzünden zu übernehmen, sagte aber, er sei kein Redner. Einigen fiel ein, dass er ohnehin keine gute Wahl gewesen wäre, da seine Frau evangelische Anglikanerin war und es sein konnte, dass er sich verpflichtet fühlte, Dinge zu sagen, die Eric unangenehm gewesen wären, wenn er sie hätte hören können. Dann erklärte sich der Ehemann von Ailo dazu bereit – ein kleiner Mann, der vor Jahren von einem Feuer auf einem Boot entstellt worden war, ein brummiger Sozialist und Atheist, und in seiner Rede kam er so gut wie gar nicht auf Eric zu sprechen, außer dass er ihn zum Waffenbruder erklärte. Er redete erstaunlich lange, und das wurde hinterher dem unterdrückten Leben zugeschrieben, das er unter Ailos Fuchtel führte. Vielleicht entstand ein wenig Unruhe in der Menge, als seine Aufzählung der Missstände kein Ende nehmen wollte, ein Gefühl, dass die Zeremonie doch nicht so eindrucksvoll oder feierlich oder herzzerreißend wurde, wie man erwartet hatte. Aber als dann das Feuer brannte, verschwand dieses Gefühl, und es herrschte große Konzentration, sogar oder besonders unter den Kindern, bis zu dem Moment, als einer der Männer ausrief: »Schafft die Kinder weg!« Das geschah, als die Flammen den Leichnam erreicht hatten, was recht spät zu der Erkenntnis führte, dass die Verbrennung von Fett, von Herz, Nieren und Leber prasselnde und brutzelnde Geräusche hervorbringen konnte, die sich peinlich anhörten. Also wurden viele der Kinder von ihren Müttern weggezerrt – einige anstandslos, andere sehr zu ihrem Ärger. So wurde der letzte Akt des Feuers zu einer hauptsächlich männlichen Zeremonie und ein wenig skandalös, wenn auch in diesem Fall nicht illegal.
Juliet blieb mit weit aufgerissenen Augen hocken und streckte das Gesicht der Hitze entgegen. Sie war nicht ganz da. Sie dachte an – wie hieß er noch, Trelawny? –, der Shelleys Herz aus den Flammen gerissen hatte. Das Herz, mit seiner langen Bedeutungsgeschichte. Merkwürdig, dass noch zu jener Zeit, die gar nicht so lange her war, ein Organ aus Fleisch für so kostbar gehalten wurde, der Sitz des Mutes und der Liebe. Es war nur Fleisch, das da brannte. Nichts, was mit Eric verbunden war.
*
Penelope hatte von all dem keine Ahnung. In der Tageszeitung von Vancouver erschien eine kurze Notiz – nicht über die Leichenverbrennung am Strand natürlich, nur über die Sturmopfer –, aber weder Zeitungen noch Radioberichte erreichten sie tief in den Kootenay Mountains. Als sie wieder in Vancouver war, rief sie zu Hause an. Vom Haus ihrer Freundin Heather aus. Christa nahm ab – sie war zu spät für die Zeremonie zurückgekommen, übernachtete aber bei Juliet und half ihr, wo sie konnte. Christa sagte, Juliet sei nicht da – was gelogen war –, und bat darum, mit Heathers Mutter zu sprechen. Der erklärte sie, was passiert war, und sagte, sie werde Juliet nach Vancouver fahren, sie würden sofort aufbrechen, und Juliet wollte es Penelope selbst sagen, sobald sie dort waren.
Christa setzte Juliet vor dem Haus ab, wo Penelope war, und Juliet ging allein hinein. Heathers Mutter führte sie in den Wintergarten, in dem Penelope
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