Trickser: Sammelband: Der Iril-Konflikt - Zwischen allen Fronten (German Edition)
Doch der Forscher, mittlerweile das Staatsoberhaupt Roks, und seine Minister waren nichts von alldem und wurden von der Entwicklung völlig überrascht. Die Händler kehrten dem Planeten den Rücken, fällige Kredite konnten nicht gezahlt werden. Rok besaß keine eigene Flotte, und so mussten die Schiffe, die die Rohstoffe transportierten, teuer gemietet werden. Wie einst die Landebene, der Rok seinen Reichtum verdankte, vom Meer überspült wurde, so versank der Planet erst in Schulden, dann in Bedeutungslosigkeit.
Die am besten qualifizierten Arbeiter fanden auf anderen Planeten neue Arbeitsstellen, die Manager erhielten bessere Angebote. So blieben auf Rok nur diejenigen zurück, die von keinem gewollt wurden. Die Städte verwaisten, die Arbeit in den unterseeischen Minen ruhte. Die Politiker waren machtlos, als der Mob die Städte eroberte. Es bildeten sich Banden, die sich bewaffneten und das Gesetz in die eigenen Hände nahmen. In den nächsten Jahren überzogen blutige Schlachten den Planeten. Die Politiker waren klug genug, um zu fliehen und Rok dem Pöbel zu überlassen. Für die Merdianer war dieser Planet uninteressant, also ließen sie es geschehen.
Nach den Plünderungen zogen alle Banden in die Hauptstadt und fanden dort zu relativem Frieden. Sie produzierten nichts, sie bauten nichts an. Sie erschufen mit Rok eine rechtsfreie Zone, toleriert vom Merdianischen Reich. Zwar gab es eine ständige Vertretung auf dem Planeten, doch hieß es, dass dieser Posten einer Verbannung gleich kam, denn noch kein Rechtsprecher, der auf Rok diente, war jemals wieder auf einen anderen Posten im Merdianischen Reich versetzt worden – hier endete jede Karriere. Wobei der Rechtsprecher auf Rok ein recht angenehmes Leben führen konnte, da er regelmäßig Bestechungsgelder angeboten bekam.
Seit sechs Dekaden regierten die Banden die einzige noch existierende Stadt Roks. Sie war ein Moloch, aufgeteilt unter den vier großen Gangs und einer unüberschaubaren Anzahl kleiner Gruppierungen von Straßenschlägern, die ihre eigenen Gesetze hatten. Wer reich und mächtig war, konnte in Rok-Stadt leben wie ein merdianischer Gott: ausschweifend, sorgenlos, frei von jeglichen gesetzlichen oder moralischen Fesseln. Wer weder Geld noch Einfluss besaß, musste den Reichen das gewünschte Leben ermöglichen.
So saß Indra Fey in einer zusammengezimmerten Bar, deren Besitzer sicherlich Tribut an eine Bande zahlte und kaum genug Geld für das eigene Leben besaß, als ihr die Lösung im wahrsten Sinne des Wortes auf den Fuß trat. Der vielleicht zwölfjährige Junge, der über ihr Bein gestolpert war, entschuldigte sich nicht, sondern schloss zu seiner Gruppe Halbwüchsiger auf, die in die Bar strömte. Die Kinder suchten sich eine Ecke und redeten lautstark über die neuesten Holofilme und Aird-Ergebnisse. Einer der Pimpfe ging an die Theke und bestellte beim Bartender, der die Kinder zu kennen schien. Indra kam ein Gedanke. Der Knabe schlenderte zu seinen Kumpanen zurück, da rief Indra ihn zu sich. Erst schaute er sie zweifelnd an, kam dann aber doch zu ihr.
«Was ist?», fragte er und blieb eine Armlänge entfernt von ihr stehen.
«Du und deine Freunde – ihr kennt euch hier aus?», fragte sie zurück.
«Ist unser Viertel.» Er richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der dünnen Brust.
«Gut. Ich brauche jemanden, der etwas für mich findet.» Indra zog das Bild Frottels hervor und zeigte es dem Jungen. «Diesen Kerl.»
Der Knabe betrachtete das Bild nur flüchtig, dann sah er ihr in die Augen. «Umsonst gibt's nichts.»
«Wie wäre es mit dreißig Norm für die Gruppe? Wenn ihr ihn findet, noch mal dasselbe, und der Finder bekommt zehn dazu.»
Am Blick des Jungen sah sie, wie sehr ihn das Angebot reizte. Aber er war auf der Hut und erwiderte: «Achtzig bei Erfolg, und zwanzig für den Finder!»
Cleverer Bursche, dachte Indra. Sie schüttelte den Kopf. «Sechzig und zehn, und ihr müsst ihn heute finden. Er ist irgendwo in diesem Viertel. Das dürfte doch kein Problem für euch sein. Also?»
Der Junge biss sich auf die Unterlippe, dann schlenderte er zu seinen Freunden. Sie senkten ihre Stimmen, während sie heftig diskutierten. Dann kam die ganze Gruppe zu Indra, und der Junge, den sie angesprochen hatte, nickte. «Wir machen es.»
Indra zählte das versprochene Geld ab und reichte es mit Frottels Bild dem Jungen. «Ich warte hier auf Antwort.»
«Bis gleich», sagte der Junge, und die Kinder zogen ab.
In den
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