Tricontium (German Edition)
fortfahren zu lassen. »Er hat gesagt, ein Verräter könne kein Krieger werden und dass er Herrn Theodulfs Nachfolger deshalb nicht erlauben würde, mich zu unterrichten. Und dann hat er seinen Dolch genommen und mir den Zopf abgeschnitten, mitten auf dem Hof.« Das erklärte die über den Kopf gezogene Decke. »Ein Verräter verdient kein langes Haar wie ein ehrlicher, freier Mann, hat er gesagt. Meine Großmutter hat gesagt, das solle ich mir eine Lehre sein lassen und in Zukunft vernünftig sein. Aber Eskil war da und hat alles gesehen, und als der Fürst fort war, hat er mir gesagt: ›Wenn du wirklich ein Krieger sein willst, dann ist es jetzt an der Zeit, Asgrim den Dienst aufzukündigen und fortzugehen. Ein Mann von Ehre lässt so etwas nicht mit sich machen.‹ Er meinte, ich solle zu Herrn Theodulf gehen. Da bin ich dann heimlich mitgegangen, als er nach Aquae weitergefahren ist.«
»Das war auch richtig so. Der Brandhorst ist kein Ort für anständige Menschen«, sagte Ardeija mit einem bedächtigen Nicken und fand, dass nun alles durchaus einen Sinn ergab, der befriedigend genug war, um die Sache bis morgen früh als erledigt zu betrachten. »Du hast gut daran getan, herzukommen.«
Asri verschränkte die Arme. »Und du hast zu viel getrunken.«
Theodulf lachte. »Das fällt dir früh auf! Aber ja, das hat er.«
Ardeija fand diese seltene Einigkeit ein wenig beunruhigend. »Nicht so viel wie Gjuki. Aber Ihr …« Er fasste Theodulf ins Auge. »Ihr müsst mir irgendwann erklären, warum Ihr so lange Jahre freiwillig bei diesem widerwärtigen Fürsten geblieben seid.«
Theodulfs Gesicht war so verschlossen und unbewegt, wie Ardeija es schon zu oft gesehen hatte. »Ich schuldete ihm Dank. Aber das ist jetzt nicht weiter von Belang. Wir haben genug anderes zu besprechen.«
Ardeija nahm noch einen Schluck Tee. »Da gibt es nicht viel zu besprechen. Rambert ist offensichtlich gut angekommen und wir sollten alle schlafen gehen.«
Theodulf wirkte nicht, als ob ihm dieser einfache Plan gefiel. »Rambert ist hier gut angekommen, ja, aber das weiß außer uns niemand.« Er betrachtete den Jungen mit einer Mischung aus Sorge und Zuneigung. »Deine Großmutter wird mittlerweile krank vor Angst sein.«
»Sie mag mich nicht«, sagte Rambert.
Ardeija schloss, dass wohl keine Eltern mehr vorhanden waren, zumindest keine, die sich zuständig gefühlt hätten. »Wenn seine Großmutter nicht einmal imstande war, Asgrim daran zu hindern, ihrem Enkel die Haare abzuschneiden, dann ist er auch sonst nicht gut bei ihr aufgehoben«, verkündete er und nahm den Mantel ab, der ihm mittlerweile elend schwer vorkam. »Das ist meine Meinung dazu, und ich bin zu müde, sie jetzt noch zu ändern. Haltet also besser den Mund, Herr Theodulf.« Er schüttelte die Stiefel von den Füßen.
Theodulf dachte gar nicht daran, sich von dieser Mahnung beeindrucken zu lassen; stattdessen bedeutete er seinem Sohn mit einer ärgerlichen Kopfbewegung, ihm hinüber in einen der Winkel des Raumes zu folgen, damit sie allein reden konnten. »Ramberts Großmutter ist eine von Asgrims Weberinnen, keine Kriegerin«, verkündete er dort mit gesenkter Stimme, »sie könnte es gar nicht wagen, dem Fürsten entgegenzutreten, ganz zu schweigen davon, dass sie ohnehin nie viel davon gehalten hat, ihr Enkelkind über seinen Stand hinausgehoben zu sehen. Sie meinte, Rambert würde kein großer Krieger werden, und wenn doch, dann wolle sie es nicht erleben.«
Ardeija verbiss sich die Bemerkung, dass Rambert nun so oder so dafür gesorgt habe, dass seine Großmutter es auch nicht erleben würde. »Sind seine Eltern tot?«
Theodulf hob die Schultern. »Die Mutter. Der zugehörige Vater ist ohnehin nie in Erscheinung getreten.«
Ardeija wusste nicht, ob er lachen oder den Kopf schütteln sollte; die Frage nach unbekannten Vätern und Kindern zweifelhafter Abstammung schien ihn heute hartnäckig verfolgen zu wollen. »Ihr seid es aber nicht, oder?«
Wenn Theodulf die Unterstellung lustig fand, verbarg er es gut. »Nein. Ihr reicht mir.«
Zu jeder anderen Zeit wäre Ardeija über die Bemerkung beleidigt oder enttäuscht gewesen; nun ertappte er sich dabei, darüber nur zu lächeln. »Warum habt Ihr ihm dann Unterricht gegeben? Hat Euch jemand darum gebeten?«
»Ihr stellt zu viele Fragen.« Theodulf klang eher müde als missbilligend, aber dann lächelte er, und diesmal war kein Spott dabei. »Stellt Euch vor, Ihr wäret gezwungen, einen Schaukampf gegen
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