Tricontium (German Edition)
»aber gegen eine Bitte Eurer Richterin wird er schwerlich etwas haben. Ihr könnt ja Bertrada mitnehmen, statt Euren Schreiber zu holen, damit wir im Zweifelsfalle eine glaubwürdige Zeugin haben, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist.« Er lachte, als sei das ein halber Scherz, doch Ardeija wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Weiter würde Sarus ihm nicht entgegenkommen, gute Bekanntschaft hin oder her. Es tat doppelt weh, dass sein Misstrauen noch nicht einmal ungerechtfertigt war.
»Umso besser!« antwortete Ardeija dennoch mit einem Lächeln und bückte sich, um Gjuki, der allzu gierig zu werden drohte, festzuhalten. »So geht es schneller, als wenn wir erst noch Oshelm rufen müssten. Vielen Dank.«
Wie er allerdings Otachar seine beiden Botschaften ausrichten sollte, wenn die Schreiberin aus Salvinae, die nun die Hand nach der von Herrad ausgestellten Beglaubigung ausstreckte, dabeisaß und getreulich alles notierte, was besprochen wurde, wusste er beim besten Willen nicht.
Vom Torhaus führte ein gepflasterter Weg durch die Felsenge bis auf einen weiten Hof, der links von den Stallungen der Zugtiere begrenzt wurde, die halfen, den roten Sandstein zum Ufer der Mugila, eines kleinen Nebenflusses des Simertius, zu bringen, damit er nach Aquae verschifft werden konnte. Weiter rechts lag zwischen Wirtschaftsgebäuden und den bescheidenen Unterkünften derjenigen, die mehr oder minder freiwillig in Mons Arbuini lebten, ein zweites Tor, das besser gesichert war als das erste. Auch hier waren die Wachen durch Sarus’ Krieger verstärkt worden, doch wenn sie angewiesen worden waren, keinem Fremden Zutritt zu gewähren, genügte offenbar die Anwesenheit Bertradas und zweier Männer aus Salvinae, um sie zu überzeugen, dass Ardeija jedes Recht hatte, sich ebenfalls hier aufzuhalten.
Spätestens als sie sich im Durchgang befanden und einer der Wächter die kleine, in den linken Torflügel geschnittene Pforte sorgfältig wieder verschloss, um erst danach das starke Gitter, das den Bogen auf der anderen Seite versperrte, zu öffnen, war Ardeija froh, Oshelm nicht dabei zu haben. Er konnte sich Herrads Schreiber beim besten Willen nicht in den groben Kleidern vorstellen, die man den Gefangenen hier zugestand, und hätte durchaus Verständnis dafür gehabt, wenn er sich geweigert hätte, den zweiten Hof zu betreten, in dem das Licht der mitgeführten Fackeln über fensterlose Wände tanzte, um nur hier und dort eine Tür oder das Ende eines Luftschachts im Mauerwerk zu beleuchten.
Bertrada schien gegen all dies unempfindlich zu sein, sei es, dass sie es früher am Tag schon zur Genüge gesehen hatte, sei es, dass es sie ohnehin nicht weiter berührte.
»Ihr könnt diesen Aquila im Wachhaus dort vorn verhören«, verkündete sie und lief so unbekümmert quer über den Hof voraus, als befänden sie sich auf der Burg von Salvinae und nicht an einem ungleich beklemmenderen Ort. »Dort sind wir ungestört. Habt Ihr schon zu Abend gegessen? Wenn nicht, könnt Ihr gern bleiben. Der Koch des Hauptmanns hat uns Suppe versprochen, aber es hat sich alles etwas hingezogen und bisher ist bis auf die Kastanien nichts gebracht worden.«
Ardeija wusste nicht, ob er überhaupt hungrig war, murmelte aber einige höfliche Worte des Dankes, während er der Schreiberin zu dem niedrigen Gebäude folgte, das dort errichtet worden war, wo sich der Hof zum eigentlichen Steinbruch öffnete, der um diese Nachtzeit still und verlassen dalag. Drinnen gab es ein wärmendes Kohlebecken, doch das half nicht viel, zumal sich Bertrada den besten Platz auf der Bank gleich daneben sicherte, noch bevor sie ihr Schreibpult aufklappte und den Wachsoldaten, der sich bei ihrem Eintritt erhoben hatte, mit ihren eigenen Leuten auf die Suche nach Aquila schickte.
Ardeija blieb stehen, während sie warteten, und sah Gjuki zu, der unverdrossen den Raum erkundete und mit einem entzückten Zirpen einen der Stützpfeiler hinaufschoss, als er entdeckte, dass es hier zwischen den Dachbalken kleine Feuerkobolde gab, denen man herrlich nachjagen konnte.
Bertradas Augen folgten Gjuki, obwohl sie damit befasst war, ihre Feder zu spitzen. »Wie kommt man eigentlich zu einem Drachen? Mir ist noch niemand außer Euch begegnet, der einen zahmen hat, und es heißt, man müsse viel Glück haben, um einen zu finden.«
Ein Kobold huschte die Wand herunter und verschwand schimpfend in der Nacht.
»Ich habe ihn nicht gefunden. Er hat mich gefunden. Er ist
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