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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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war schuldig. Wenn ich mich recht entsinne, hatte er einen Krieger aus Sala erschlagen. Ihr müsst doch damals selbst davon gehört haben; wart Ihr nicht Gudhelms Schwertmeister?«
    Erst glaubte Ardeija, es bedeute für Otachar etwas wie Erleichterung, nach all den Jahren des Schweigens und Leids verhüllt seine Schuld am Tod seines Freundes zuzugeben. Doch in den geröteten Augen, die nun unverwandt auf ihn gerichtet waren, lag keine Hoffnung auf Trost oder Vergebung, vielleicht noch nicht einmal der Wunsch danach. Stattdessen war dort etwas wie eine stumme Herausforderung und Ardeija fragte sich, ob Otachar gerade die letzten beiden Worte so sehr betont hatte, um seiner Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass ein früherer Gefolgsmann des Fürsten von Sala nur hier sein konnte, um Rache zu nehmen.
    So abwegig war der Gedanke nicht und Ardeija erinnerte sich zu gut, dass dies auch seine erste Vermutung gewesen war, als Gudhelm ihm seinen Auftrag erläutert hatte. Doch während der Geist offen hatte sprechen können, würde es für Ardeija unter den gegebenen Umständen schwer sein, Otachar über seine Absichten zu beruhigen und ihn auch nur halbwegs davon zu überzeugen, dass er als Bote kam.
    »Es ist so eine Sache mit Schuld und Unschuld«, begann er zögernd und wusste nicht, wie er fortfahren sollte.
    »Sagt das auch Eure Richterin?«, fragte Otachar und hustete schon wieder. Es klang gar nicht gut und verdarb den milden Spott.
    Gjuki gab einen sehr unzufriedenen Laut von sich, sei es, dass er sein Mitgefühl zum Ausdruck bringen wollte, sei es, dass er fand, dass Ardeija die Lage entsetzlich schlecht im Griff hatte.
    »Frau Herrad weiß so gut wie ich, dass nicht jeder Fall eindeutig ist«, sagte Ardeija. »Und nicht einmal das, was unserem begrenzten Verständnis nach eindeutig scheint, muss es sein. Nimm etwa meinen Fürsten, von dem du eben sprachst. Nachdem er bei Bocernae gefallen war, nahmen sein Bruder wie auch seine Gefolgsleute an, er wolle seinen Tod gerächt sehen, und unternahmen große Anstrengungen, den Mann, der ihn getötet hatte, ausfindig zu machen. Nicht, dass es gelungen wäre, aber versucht hat man es. Herrn Gudhelm hat das aber gar nicht gefallen.«
    »Und woher will man wissen, was einem toten Mann gefällt oder nicht?« Die Frage kam von Bertrada, die gleichzeitig die Abschweifung pflichtgemäß schriftlich festhielt.
    Ardeija wandte sich halb zu ihr um. »Dazu wollte ich eben kommen. Diesen Herbst –sieben Jahre nach Bocernae, das muss von Bedeutung sein, meint Ihr nicht? Wie auch immer, diesen Herbst haben schon mehrere Leute Gudhelms Geist umgehen sehen, nahe beim alten Schlachtfeld. Aber er ist kein gewöhnliches Gespenst, das die Reisenden erschrecken oder erlittenes Unrecht beklagen will. Er möchte, dass man dem Speerwerfer von damals ausrichtet, dass er ihm verzeiht.«
    Einer der drei Krieger bei der Tür bekreuzigte sich, während ein zweiter den dritten mit gesenkter Stimme wissen ließ, Frau Herrads Hauptmann müsse wohl etwas wirr im Kopf sein.
    Otachar sah nicht sonderlich betroffen aus, aber er fand sich zu einem halben Lächeln bereit, das entschieden zu mitleidig war. »Ich will Euch keinen Lügner nennen, Herr Ardeija«, begann er, und zum ersten Mal klang er sehr wie der Markgraf von Tricontium, nicht wie Aquila in den Steinbrüchen, »doch Ihr seid in meinen Augen noch jung. Wenn Ihr einen Rat von jemandem annehmen wollt, der sich diese Welt schon doppelt so lange wie Ihr besehen hat, dann glaubt nicht jedes Gerücht.«
    Der Krieger, der eben das Kreuz geschlagen hatte, machte eine Bewegung, als wolle er eingreifen, um dem Gefangenen einen angemesseneren Ton beizubringen, doch Ardeija hob abwehrend die Hand. »Gerüchte sind häufig nicht so viel wert wie die Zeit, die man verschwendet, sie anzuhören, das weiß ich selbst, Aquila. Doch ich bin einer von denen, die Gudhelms Geist gesehen haben, und mein Herr hat mit mir gesprochen. Wem, wenn nicht seinem Schwertmeister, sollte er seine Wünsche und seine Sorgen um die, die er hat zurücklassen müssen, wohl ausrichten? – Doch genug davon. Wir waren bei deinen beiden Bekannten und ihren Plänen …«
    Er ließ sich ein paar bedeutungslose weitere Fragen einfallen und erhielt ebenso bedeutungslose Antworten, die hinreichend klangen; sie wussten beide, dass alles gesagt war, was hatte gesagt werden müssen, wenngleich das, was Otachar von Gudhelms Vergebung dachte, wenn er denn überhaupt daran glaubte, hinter dem

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