Tricontium (German Edition)
Aquae Calicis aus allem Anschein nach nichts unternommen wurde, hieß mich mein Herr, Mons Arbuini gut zu bewachen, da doch gefährliche Leute hier sind, die leicht entkommen könnten.«
Er sprach nicht aus, was Ardeija so gut wusste wie er. Die Vögte von Salvinae hatten ihre Amtsbrüder in Aquae schon seit Jahrzehnten um die Verfügungsgewalt über die Steinbrüche beneidet. Man schickte durchaus auch aus Salvinae Verurteilte hierher, doch der Teil der Einkünfte, der im Gegenzug nach Salvinae floss, war verhältnismäßig mager, wenn auch vielversprechend genug, um Begehrlichkeiten zu wecken. Herr Giselbert in Salvinae würde sich gesagt haben, dass unruhige Zeiten die beste Gelegenheit boten, vollendete Tatsachen zu schaffen. Den rechtlichen Rahmen konnte später noch immer ein dankbarer König – ob nun der alte oder ein neuer – ändern. Wenn Feuerzeichen zur Wachsamkeit mahnten und die Lage in der aula regia sich stündlich ändern konnte, war eine Streitmacht vorerst mehr wert als jede Urkunde.
Sarus sah allerdings kaum aus, als ob ihm seine Aufgabe unbedingt behagte, und wäre vielleicht im Stillen froh gewesen, wenn Ardeija im Auftrag des Vogts von Aquae mit genügend Kriegern gekommen wäre, um einen Rückzug der Leute aus Salvinae unumgänglich zu machen. Doch dem war nun einmal nicht so und damit mussten sie beide leben.
»Ein toter Vogt in Aquae macht das natürlich noch dringlicher«, fuhr Sarus fort. »Es war eine Dummheit, nach Bocernae so viele Unruhestifter hier zu versammeln. Wenn man Leute sucht, die bereit sind, einen Königsmord mitzutragen oder selbst einen zu begehen, muss man hier nicht lange suchen. Wenn diejenigen, die hinter dem Anschlag stehen, dieses Tor hier öffnen und eine Reihe falscher Märtyrer in die Lande schicken, dann haben wir es womöglich bald mit einem weiteren Attentat zu tun, schlimmstenfalls sogar mit einem regelrechten Aufstand. Ihr wisst selbst, wie fast alles hier oben seinerzeit Faroald zugeströmt ist.«
Ardeija trank; der Wein roch billig und schmeckte noch schlimmer. Gero war anscheinend so verärgert über den dreisten Eingriff in seine Befugnisse, dass er nur den schlechtesten Teil seiner Vorräte zur Verfügung gestellt hatte. »Hoffen wir, dass Eure Vorsichtsmaßnahme sich als unnötig erweist und hinter dem unerfreulichen Vorfall nichts als eine Hofintrige oder die Bosheit eines Einzelnen steht.«
»Und hinter dem Tod Eures Vogts in der Tat nur ein Jagdunfall. Euer Drache ist wirklich hungrig, nicht wahr?«
Gjuki war bei der dritten Kastanie angelangt. Ardeija war nahe daran, eine zweite Entschuldigung auszusprechen, doch bevor er zu Wort kommen konnte, mischte sich die Schreiberin ein: »Jedenfalls sind wir nicht vergebens hergekommen. Es wurde Zeit, dass jemand einmal das hier« – sie deutete auf die Papiere, die sie vor sich liegen hatte – »in Augenschein nimmt, unbegreiflich, dass Herr Geta das nicht schon längst veranlasst hat … Ihr glaubt nicht, was für eine schlampige Buchführung ich hier vorgefunden habe. Ich wette, es ist hier zu Unregelmäßigkeiten gekommen – und das nicht nur in harmlosen Fällen.«
»So?« In seinem Bemühen, sein Erschrecken hinter etwas, das nach höflichem Interesse klang, zu verbergen, vergaß Ardeija, dass er eigentlich keinen zweiten Schluck von dem zweifelhaften Wein hatte nehmen wollen.
»Oh ja.« Die Schreiberin nickte eifrig, und ihr Ohrring verhakte sich wieder. »Wir haben vorhin die Runde gemacht und nicht alle Gesichter gefunden, mit denen wir gerechnet hatten. Ob das nur mit Todesfällen oder Freilassungen, mit denen alles seine Richtigkeit hatte, zu erklären ist, weiß ich noch nicht – aber gewisse Leute behaupten ja, dass alles in den Büchern zu finden sein müsse! In diesem Durcheinander, sollten sie sagen.« Sie warf Gero einen finsteren Blick zu.
Ardeija hatte immer mehr Verständnis dafür, dass der Hauptmann von Mons Arbuini und sein Schreiber nicht eben zufrieden wirkten, und er freute sich nicht darauf, Wulfila beibringen zu müssen, dass höchstwahrscheinlich auch seine List entdeckt war. »Dann hoffe ich, dass der Mann, den ich suche, noch zu finden ist«, sagte er dennoch leichthin, »vorausgesetzt, Ihr könnt mir gestatten, in Frau Herrads Namen ein paar Fragen zu stellen und vielleicht auch meinen Schreiber hinzuzurufen.«
Sarus dachte nach. »Ihr werdet Euch denken können, dass es dem Vogt nicht gefallen wird, wenn ich zu viele Leute vorlasse«, sagte er schließlich,
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