Tricontium (German Edition)
krausgezogener Stirn die Schwanzspitze des einzigen Drachen, den sie zur Verfügung hatten. »Wenn der Magus sagt, dass es so ist, dann ist es wohl so. Er kennt sich mit solchen Dingen ja aus. Aber ob so ein kleiner Drache wie Gjuki viel ausrichten kann, weiß ich nicht. Und mit wenig Feuer sieht man vielleicht nur ein halbes Gespenst.«
»So wenig ist es gar nicht«, nahm Ardeija seinen Drachen in Schutz und stieß ihn durch die Stoffschichten, unter die er sich verkrochen hatte, sacht an. »Gjuki? Komm her. Wir zeigen Oshelm, dass du mehr Feuer speien kannst, als er denkt.«
Gjukis Antwort bestand darin, noch tiefer in Ardeijas Hemd hinabzuklettern. Vermutlich war er nicht zu einer Darbietung aufgelegt, die ausgerechnet Malegis angeregt hatte.
Oshelm lachte. »Jetzt sollte er kein Feuer speien, oder es täte mir leid um Eure Kleider.«
»Um mich wohl nicht?«
»Ihr seid hart im Nehmen.«
»Das sagt sich so leicht.« Ardeija gab es auf, Gjuki aus seinem Versteck hervorlocken zu wollen.
Oshelm spielte mit dem letzten Rest Brot herum. »Das war nicht so dahingesagt. Seht Euch doch an! Vor nicht einmal einer Woche habt Ihr noch in Asgrims Kerker gelegen, verwundet, hilflos … Und nun? Ihr reitet nach Mons Arbuini, esst, trinkt, redet, als ob es Euch gut ginge, und macht noch Scherze über Euren Drachen!«
»Das war kein Scherz.«
»Wie auch immer … Wenn das nicht die Fähigkeit verrät, mit Widrigkeiten tapfer umzugehen, was dann? Keiner hätte es Euch übelgenommen, wenn Ihr ein paar Tage ruhig zu Hause verbracht hättet, statt diese Reise zu unternehmen.«
Ardeija hätte ihm beinahe entgegnet, die weitaus größten Widrigkeiten säßen bei ihm zu Hause und würfen einander böse Blicke zu, doch so gut, dass es sich gehört hätte, vor ihm Familienstreitigkeiten auszubreiten, kannte er Oshelm nun auch wieder nicht.
»Das Beste ist es doch, nicht viel Aufhebens darum zu machen«, sagte er daher nur und wünschte sich, es wäre tatsächlich so einfach gewesen. »Widrigkeiten wachsen mit der Bedeutung, die man ihnen zugesteht. Und deshalb werde ich mich jetzt auch nicht weiter mit dem Zauberer und seinen wilden Behauptungen aufhalten, sondern einen Tiger machen. Meint Ihr, die Wirtin hat etwas dagegen, wenn ich ein Stück von ihrem Feuerholz entwende?«
Oshelm hatte mit wachsender Verwirrung gelauscht und blieb stumm, bis Ardeija mit einem länglichen Holzstück an den Tisch zurückkehrte und sein Messer hervorholte.
»Warum wollt Ihr einen Tiger machen?«, fragte er dann und klang, als sei er von Ardeijas geistiger Unversehrtheit nicht mehr völlig überzeugt.
Ardeija lächelte, weniger über das Unverständnis des Schreibers als über Gjukis Versuche, sich noch bequemer zwischen Hemd und Bauch einzurichten. »Ich habe einem kleinen Jungen einen versprochen, so einen wie in der Geschichte von Tergeli Khan, und da ich noch nicht so müde bin, wie ich es sein sollte, werde ich den Abend damit herumbringen. Vielleicht auch die Nacht. Versteht Ihr etwas vom Schnitzen?«
Oshelm schüttelte den Kopf. »Und auch nicht viel von Barsakhanengeschichten«, gestand er. »Tergeli ist ein Vorfahr von Terguri dem Eroberer, nicht wahr?«
»Der berühmteste.« Das Holz war härter, als er erwartet hatte, und vielleicht nicht sehr geeignet, einmal ein Tiger zu werden, doch aufgeben konnte er später noch. »Haben Euch Otachars Barsakhanensöldner keine Geschichten erzählt, damals in Tricontium?«
Das Brot zerbrach zwischen Oshelms Fingern. »So viel, dass sie ausführlich mit mir geredet hätten, haben die meisten von denen nicht von mir gehalten … Nicht bis zu dem Tag, an dem ich geholfen habe, Herrn Otachar zu begraben, oder besser gesagt den Toten, den wir für Otachar hielten. Aber das war nach Bocernae und da war es zu spät, lange Geschichten zu erzählen. Ich nehme an, er ist ein großer Held von der Art, die Kinder beeindruckt?«
»Ja und nein. Sehr beeindruckt war Rambert eigentlich nicht von Tergeli. Nur von dem Tiger, in den er sich verwandelt hat. Aber Tergelis Jugendgeschichte passt auf ihn. Rambert, das ist der Junge, ein Schüler von Theodulf. Wie es aussieht, ist er bis auf weiteres bei uns eingezogen.«
Oshelm zog die Stirn kraus. »Ihr habt ein Kind vom Brandhorst mitgebracht?«
»Nein.« Immerhin fielen nun schon ein paar Holzspäne. »Er ist uns freiwillig gefolgt, weil Asgrim ihn schlecht behandelt hat. Ganz so wie Tergeli vor den Brüdern seiner Mutter fliehen musste, nachdem sie tot
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