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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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entsetzt, aber doch reichlich erstaunt aus seinem einen Auge an.
    »Na«, sagte Herrad und bemühte sich redlich, ihre Enttäuschung niederzukämpfen. »Wohl auch kein guter Grund.« Sie ließ ihn los und wandte sich ab.
    »Doch.« Endlich kam wieder etwas Leben in Wulfila; er griff nach ihrem Arm. »Nicht weglaufen!«
    Für eine Weile betrachteten sie einander stumm und Herrad meinte fast, die alte Besorgnis in Wulfilas Blick zurückkehren zu sehen; dann aber legten sich viel zu kalte Finger vorsichtig gegen ihre Wange. »Ihr meint das ernst, ja?«
    »Nein.« Herrad hielt die Hand, die sich wieder von ihrem Gesicht entfernen wollte, fest. »An Tagen, an denen ich mir ein Hochgericht erschleiche, küsse ich gewohnheitsmäßig den nächstbesten Mann, der mir begegnet, das solltet Ihr wissen.«
    Wulfila lächelte, doch nur ein wenig. »Ardeija hat gesagt, ich solle mir keine Hoffnungen machen.«
    Herrad murmelte einige sehr unchristliche Dinge über Ardeija und sah die Angst, umsonst geträumt zu haben, in einem sehr zufriedenen Lächeln ertrinken, bevor sie fest und gut umarmt wurde.

27. Kapitel: Wandlungen
    Ardeija wusste nicht, warum ausgerechnet ihm die zweifelhafte Ehre zugefallen war, Frau Herrads schweren Faltstuhl in die Kanzlei des Hochgerichts hinaufzuschleppen, aber wenn die Richterin befahl, war es besser, nicht lange zu fragen, besonders, wenn alle schon einen schwierigen Tag hinter sich hatten. Dass er seiner eigenen Einschätzung nach selbst den schlimmsten Tag von allen gehabt hatte, sprach er wohlweislich nicht aus, empfand es aber umso stärker. Er hatte sich mehr als genug darüber geärgert, dass Wulf über seinen Kopf hinweg gehandelt hatte, und hatte später nur mit Mühe die nötige Geduld aufbringen können, die Tränen zu trocknen, die über Wigbolds nun bestätigten Tod geflossen waren. Sich jetzt auch noch beteiligen zu müssen, das Hochgericht eilends einzurichten, war ihm und auch seinem Arm, der wieder zu schmerzen begonnen hatte, eigentlich zu viel.
    Immerhin hatte er Gelegenheit, eine Frage zu stellen, die ihm schon seit Stunden auf der Seele brannte. »Wulfila? Wer ist Fabius Maximus Cunctator, oder so ähnlich?«
    »Ein Römer«, sagte Wulfila überflüssigerweise, ohne von seinem Versuch, Oshelms Schreibpult zusammenzustecken, aufzusehen; für einen Mann, der mit einer solch unbequemen Aufgabe belastet war, schien er eigenartig guter Laune zu sein.
    Ardeija stellte den Stuhl ab. »Das weiß ich selbst. Was für einer?«
    Wulfila hob endlich den Kopf. »Ein Konsul und Feldherr. Er hat gegen Hannibal gekämpft und war klug genug, sich nicht kopfüber in Schlachten, die er hätte verlieren müssen, zu stürzen. Wie kommst du auf ihn?«
    »Dein Vater hat sich auf ihn berufen, um mir zu begründen, warum es kein guter Gedanke wäre, gewaltsam in die Burg einzudringen.«
    »War das bevor oder nachdem du ihm Prügel angedroht hast?« Das kleine Schreibpult stand mittlerweile sicher.
    Ardeija seufzte. »Danach, als wir uns alle wieder beruhigt hatten und vernünftig miteinander sprechen konnten. Er sagte …«
    Weiter kam er nicht. Oshelm, dem es ganz offensichtlich noch mehr als allen anderen behagte, dass nach allen wilden Reisen nun wieder ein geordnetes Leben in einem anständigen Gerichtsgebäude beginnen würde, rief aus dem hinteren Raum der Kanzlei nach ihm, und da auch noch die Richterin gerade die Treppe heraufkam und Ardeija bedeutete, dass der Stuhl nicht im vorderen Zimmer bleiben könne, konnte er den Schreiber nicht einfach überhören.
    Der zweite Raum der Kanzlei war noch der angenehmste Teil des Hochgerichts, was nicht viel heißen wollte. Die Römer hatten keinen ihrer besseren Tage gehabt, als sie es entworfen hatten, aber immerhin standen sie als Schuldige eindeutig fest, war doch das Gebäude seit ewigen Zeiten als »das Praetorium« bekannt. Frau Herrad war die Einzige, die stur und schon so lange, wie Ardeija sie kannte, behauptete, die Bezeichnung sei irreführend und das vorgebliche Praetorium nichts als ein vielfach umgebauter Getreidespeicher. Niemand wusste so recht, ob es sich dabei um sicheres Wissen aus irgendeiner geheimen Quelle oder um eine böswillige Vermutung handelte. Verändert worden war das Praetorium im Laufe der Jahrhunderte in jedem Fall mehrfach und nicht immer zu seinem Vorteil. Die Kanzlei, die über der trostlosen Vorhalle lag, in der Ardeija sich mit seinen Leuten wohl oder übel würde einrichten müssen, gehörte zu den jüngeren Anbauten.

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