Tricontium (German Edition)
später in der Kanzlei des Hochgerichts unter sich waren, nachdem das Begräbnis des Vogts glücklich überstanden und der Rückweg ihnen durch einen Regenschauer versüßt worden war. Alles andere dagegen sah genauso schlecht aus wie auf den Grabhügeln und Herrads wilde Entschlossenheit, Asgrims Ansinnen nicht allein hinzunehmen, sondern gar auszunutzen, machte die Sache nicht besser.
»Natürlich geht Ihr hin«, sagte die Richterin nämlich, kaum dass sie sich bequem in ihren Faltstuhl geworfen hatte. »Nicht für immer, aber das muss der Fürst ja nicht wissen. Wenn man eine so feine Gelegenheit bekommt, sich im Nest eines Feindes umzuschauen, schlägt man sie doch nicht aus!«
»Vom Brandhorst haben wir beide genug gesehen, denke ich«, bemerkte Ardeija, der neben dem Fenster an der Wand lehnte, um dann mit einem Blick auf Wulfin hinzuzusetzen: »Alle drei, meine ich. Gut, alle vier, lass mein Ohr in Ruhe, Gjuki!«
Der kleine Drache gehorchte, doch sein Schwanz zuckte verdächtig.
»Ihr könnt Euch denken, dass ich nicht vorhabe, irgendjemanden zu quälen oder grundlos an schlimme Erlebnisse zu erinnern«, sagte Herrad mit leisem Unmut und Wulfila glaubte ihr, so wenig ihm der Plan auch gefiel.
»Wenn Ihr denkt, dass es notwendig ist, gehe ich«, versprach er und entfernte ein kleines Blatt, das sich unterwegs in Wulfins Locken verfangen hatte. »Doch wenn ich seiner Erpressung nachgebe, weiß er, dass er mich tatsächlich in der Hand hat.«
»Lasst ihn das nur glauben.« Herrad hatte die Fingerspitzen gegeneinandergelegt und betrachtete Wulfila darüber hinweg mit einem Lächeln, das ebensoviel Selbstzufriedenheit wie Freude über das Geheimnis, das sie miteinander hatten, enthielt. »Ich habe über Paulinus nach Padiacum geschickt, um herauszufinden, ob Ihr damals in Salvinae wirklich ein erfolgreicher Betrüger wart oder selbst betrogen worden seid. Die vierundzwanzig Solidi sind eine zu hohe Summe für einen einfachen Fischdiebstahl, und wenn Richter und Vogt nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, hat Asgrim vielleicht gar nichts mehr, womit er drohen kann. Wenn dem so ist, könnt Ihr ohne Gefahr wieder nach Hause kommen.«
»Und wenn es doch nur ein Betrug war?«, fragte Wulf so ruhig, als ginge es um das Schicksal eines Fremden.
Herrad wandte den Kopf zu ihm. »Dann werden wir sehen, ob sich der Fall nicht nachträglich bereinigen lässt«, entgegnete sie und dachte wohl an das Geld, das sie aus Otachars Kriegskasse entnommen hatten. »Bis dahin kocht Ihr weiter so gut für mich wie bisher. So einfach ist das.«
»In manchen Fällen lässt sich nichts tun«, bemerkte Oshelm und verschob hörbar einen Stapel von Papieren, als wolle er darauf aufmerksam machen, dass, Asgrim hin oder her, noch ein Gerichtstag vorzubereiten war. »Vielleicht könnt Ihr nichts erreichen.«
Herrad lachte. »Eure Weltsicht ist so sonnig wie immer. Vertraut Ihr mir denn so wenig? Irgendetwas werde ich erreichen, und bis dahin wird Wulfila sich auf dem Brandhorst umsehen und gewiss das ein oder andere darüber erfahren, wie der Mann, den wir heute begraben haben, gestorben ist.«
Bisher hatte Wulfila an Herrads Plan nicht besonders viel Gefallen gefunden, aber diese Wendung hatte etwas für sich. »Sehr schön«, sagte er. »Wenn man Asgrim den Mord an einem königlichen Vogt nachweisen könnte, wäre selbst er in argen Schwierigkeiten, nicht wahr?«
»Ich hoffe, Euch ist bewusst, in welche Gefahr Ihr damit auch Euren armen Vater bringt!« Oshelm konnte die Papiere noch immer nicht in Ruhe lassen; einige glitten zu Boden. »Wenn Ihr entdeckt werdet …«
»Ach, Krähe!« Wulf lächelte mit freundlicher Nachsicht. »Sein armer Vater hat nichts dagegen. Wulfila wird sich schon nicht erwischen lassen und wenn doch, dann wird er sich selbst mehr Ärger einhandeln als mir.«
Oshelm schüttelte den Kopf und ging in den vorderen Raum hinüber, ohne den heruntergefallenen Schriftstücken auch nur die geringste Beachtung zu schenken.
Wulfila sammelte sie pflichtergeben auf und zuckte zusammen, als die Kanzleitür sehr entschieden zugezogen wurde, bevor Oshelms Schritte sich die Treppe hinunter entfernten. »Weshalb beschwert er sich eigentlich? Er soll schließlich nicht zum Brandhorst.«
Wulf winkte ab. »Der beruhigt sich schon wieder. Er meint es nur gut mit uns beiden und immerhin ist ihm die letzten Tage über schon genug zugemutet worden.«
»Nicht nur ihm«, sagte Herrad und nahm Wulfila die eng
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