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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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komme ich noch meinen Pflichten nach, auch wenn ich gerade jammere! Kannst du ihm nicht gut zureden? Du bist schließlich ruhiger als er, obwohl du weit mehr Grund zur Sorge hast.«
    Er hatte vergessen gehabt, wie durchdringend einen die grauen Augen anblicken konnten, die von der ehemaligen Äbtissin herstammten und sich so unverwüstlich vererbt hatten wie ihre Liebe zu geschriebenen Worten und das rasche Lächeln, das Ardeija noch beeindruckt hatte, als sie schon eine alte und kranke Frau gewesen war. Doch dieses eine Mal wandte Wulf sich ab, bevor Ardeija zu Boden sah. »Ich habe schon immer besser gelogen als Krähe«, sagte er, eine Hand bereits auf dem Türgriff. »Außerdem bin ich von Natur aus faul. Es wäre viel zu anstrengend, mir den ganzen Tag über trübe Gedanken zu machen.«
    Ardeija fragte sich, ob die zweite Bemerkung wohl nur als Beispiel dienen sollte, die erste zu belegen.
    Als sie wieder ins Haus kamen, war Oshelm allein und hatte sich so weit erholt, dass er sich einen Becher Wasser aus dem Fass bei der Tür hatte schöpfen können. »Was denn, hat es keine Toten gegeben?«, fragte er, wohl in der tapferen Absicht, alle Unsicherheiten zu überspielen; das Zittern der Hand, die den Becher hielt, ließ sich nicht so leicht verbergen.
    »Noch nicht.« Wulf lächelte ihm zu. »Was hast du mit Wulfin angestellt?«
    »Sonst war ja niemand da, Frau Herrad mein Bedauern zu übermitteln und auszurichten, dass ich plötzlich erkrankt bin«, sagte der Schreiber und vermied es, Ardeija anzusehen, der seinerseits darauf verzichtete, seine Meinung zu dieser Ausrede laut zu äußern.
     Wulf schüttelte den Kopf. »Erkrankt oder nicht, du hättest den Drachen aus meiner Teigschüssel entfernen können.«
    Oshelm betrachtete angelegentlich den Wasserrest in seinem Becher und klang weniger gekränkt als bedauernd, als er erwiderte: »Dein Freund Gero hatte Recht, dass ich nicht zu viel zu gebrauchen bin.«
    Ardeija war erstaunt genug, sich nicht zu wehren, als der sehr klebrige Gjuki, den Wulf ihm in die Hand gedrückt hatte, auf seine Schulter kletterte. »Gero? Der Gero, dem Mons Arbuini untersteht, ist dein Freund? Warum zum Teufel hat er dich dann nicht laufen lassen?«
    Wulf besah sich weiter in aller Ruhe den drachenbedingten Schaden. »Oh, das ist nicht weiter verwunderlich. Es gibt eben Leute, die ihre Pflichten sehr ernst nehmen, auch wenn sie dabei jammern, nicht wahr?«
    Ardeija verschränkte die Arme. »Du weißt, dass ich das so nicht gemeint habe.«
    »Es passt aber ganz gut.« Wulf hob vorsichtig den Kasten, in dem Herrads Gewürzvorräte verwahrt wurden, von dem Brett über der Tür herab. »Auf seine Weise ist Gero sehr zuverlässig, nur nicht, was seine Buchführung betrifft, und dafür kann ich ihm dankbar sein.«
    »Aber nicht für viel anderes.« Oshelm stellte seinen Becher so hart auf dem Tisch ab, dass es Ardeija wunderte, dass der grün glasierte Ton nicht zersprang. »Er hat dich beinahe sterben lassen!«
    Wulf hielt kaum merklich in seiner Bewegung inne. »Nicht absichtlich«, sagte er und beugte sich über die Sammlung kleiner Gefäße, die all die Schätze enthielten, die auf der Straße der Teehändler von Osten kamen. »Und immerhin hat er es reichlich wiedergutgemacht, nicht wahr? Er hat für alle Fälle drei Priester geschickt, nicht nur einen. Nur die Walküre hat er vergessen.«
    Ardeija wusste, dass er nicht hätte lachen sollen, doch ganz leicht war es nicht, die Beherrschung zu wahren. »Die Walküre?«
    Wulf sah auf. »Das war ein alter Scherz zwischen uns. Als wir noch jung und leicht zu beeindrucken waren, hat uns jemand eine Geschichte über einen sterbenden Krieger, einen Engel und eine Walküre erzählt. Der Krieger wusste nämlich sein Leben lang nicht so recht, ob er Christ oder Heide sein wollte, und als er dann dem Tode nah auf einem Schlachtfeld lag, traten ein lichtglänzender Engel und eine Walküre im Mantel aus Wolfspelz und Rabenfedern an ihn heran und fragten ihn freundlich, ob er sich nun endlich entschieden hätte, wie er es mit seinen Überzeugungen halten wolle … Aber der Krieger war so erschrocken, dass er kein Wort hervorbrachte, und da auf dem Schlachtfeld noch viel zu tun war, tauschten die beiden Boten am Ende einen Blick und wirkten gemeinsam ein kleines Wunder, so dass seine Wunden sich schlossen und ihm noch einige Jahre Zeit blieben, zu einem Schluss über seinen Glauben zu gelangen. Das hat Gero und mir einst ein Mann erzählt, der

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