Tricontium (German Edition)
Fähigkeit verfügt, derart sicher die richtigen Schlüsse zu ziehen oder gut zu raten; ihm selbst war noch immer schleierhaft, weshalb Oshelm nach einer Auseinandersetzung auch mit Wulf gerade dorthin geflohen war, wo er ihm notwendigerweise begegnen musste.
Wulf selbst, der eben begonnen hatte, irgendeinen Teig anzurühren, schien Oshelms Anwesenheit in der Küche allerdings nicht weiter bemerkenswert zu finden. »Lass es gut sein, Ardeija«, bat er und schlug ein Ei auf. »In ein, zwei Stunden wird er sich beruhigt haben und weitaus bessere Arbeit leisten, als er es jetzt gerade täte.«
»Ich kann für mich selbst sprechen«, sagte Oshelm unmutig, sah aber immer noch nicht auf. Er hatte schon bei Ardeijas Ankunft in derselben Haltung mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen dagesessen und eingehend die Maserung der Tischplatte betrachtet.
Wulfin, der seine Beschäftigung mit einer Wachstafel aufgegeben hatte, um Gjuki mit dem Griffel spielen zu lassen, war gewohnt ehrlich. »Aber du sagst die falschen Sachen.«
Das immerhin entlockte Oshelm ein kleines Lächeln. »Ja«, räumte er ein. »Doch das ist nun einmal meine Art.«
Die vertrauliche Anrede schien ihn ebenso wenig zu stören wie der Tadel, was Ardeija überraschte; der Schreiber hatte, solange er ihn kannte, weder mit übereilten Verbrüderungen noch mit Kindern viel anfangen können. Vielleicht war dieser Fall anders gelagert, weil Wulfin in manchem wie ein kleiner Wulf wirken konnte, nicht nur, wenn er wie jetzt gerade mit seinem Großvater einen raschen Blick tauschte.
Ardeija beschloss, es anders zu versuchen. »Es ist auch Eure Art, immer gleich das Schlimmste anzunehmen«, sagte er heiterer, als ihm angesichts dieser undankbaren Aufgabe zumute war. »Also macht Euch nicht zu viele Gedanken, sondern reißt Euch zusammen und kommt jetzt mit. Aufregen könnt Ihr Euch immer noch, wenn die Sache ein böses Ende genommen hat, zumal sie Euch doch nur am Rande betrifft.«
»Was wisst Ihr schon?«, fragte Oshelm.
»Er ist nur so zartfühlend wie immer«, verkündete Wulf, und obwohl er lachte, erinnerte Ardeija sich nur zu gut daran, dass er eigentlich noch eine Entschuldigung hätte aussprechen müssen; doch das musste nicht unbedingt vor Zeugen geschehen.
»Vielleicht bin ich nicht zartfühlend«, sagte er deshalb nur, »und vielleicht weiß ich auch nichts, aber daran seid Ihr ganz allein schuld. Ihr verlangt Verständnis, ohne auch nur eine halbe Erklärung abgeben zu wollen. Gut, ich sehe ein, dass Mons Arbuini ein fürchterlicher Ort ist, doch man kann auch übertreiben und sich die Dinge zu sehr zu Herzen nehmen. Wir haben hier und jetzt genug zu bedenken. Seid gefälligst so rücksichtsvoll, mit dem Grübeln über Vergangenes und Zukünftiges bis nach dem nächsten Gerichtstag zu warten! Was ist nur in Euch gefahren? Ein solcher Jammerlappen seid Ihr doch sonst nicht!«
Alle Farbe war aus Oshelms Gesicht gewichen. »Es ist gut, Herr Ardeija«, sagte er tonlos, »ich komme gleich; nur einen Augenblick.«
Der Augenblick würde lang werden; der unglückliche Schreiber wirkte, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.
Ardeija ahnte, dass er zu weit gegangen war. »Hört …«, begann er und kam nicht weiter, da er sich unsanft am Arm gepackt und auf den Hof hinausgeschleift fühlte.
»Das war genug«, sagte Wulf, als er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, entschieden, aber mit gesenkter Stimme, da Freda, die drüben beim Stall die Wäsche aufhängte, neugierig zu ihnen herübersah. »Mehr als genug.«
Ardeija machte sich los. »Ich war wohl zu hart und vielleicht war es gut, dass du mich davon abgehalten hast, mehr zu sagen.«
»Danke Gott, dass ich ein freundlicher Mensch bin und dich nicht ganz anders dazu gebracht habe, den Mund zu halten«, gab Wulf zurück und klopfte ihm doch fürsorglich das Mehl vom Ärmel, das eben darauf geraten war. »Ich weiß selbst, dass Oshelm in dieser Verfassung kaum zu ertragen ist, aber er hat es nun auch wieder nicht verdient, dass du so mit ihm redest. Dazu hat er zu viel durchgemacht.«
»Es tut mir ja auch leid für ihn.« Ardeija wandte sich kurz zum Stall um, doch Freda hatte sich, enttäuscht oder erleichtert, dass es nicht zu Handgreiflichkeiten kommen würde, wieder ihrer eigentlichen Beschäftigung zugewandt; nur die Trollfrau sah stumm aus der Luke hervor. »Und zugegebenermaßen habe ich ihm meinerseits auf dem Weg nach Mons Arbuini zu viel über Bocernae erzählt. Aber wenigstens
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