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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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wird.«
    »Ein großes Wunder wäre das nicht.« Oshelm strich dem Drachen mit einem Finger über den Kopf. »Hat der Bursche hier in dem gleichen Loch wie Ardeija gesteckt?«
    »Das sagt er.« Herrad hatte sich wieder Wulfila zugewandt. »Wer hat sich in der Zeit, die Ihr dort verbracht habt, um Euren Sohn gekümmert?«
    »Er war bei mir.«
    Herrad sah zweifelnd drein, und Wulfila fand sich in der Ansicht bestätigt, dass es sich selten auszahlte, einer Richterin gegenüber einen Sachverhalt wahrheitsgemäß darzustellen. Wulfin war, Deo gratias , noch weniger erfahren im Umgang mit Leuten von Herrads Schlag, doch spürte er gut genug, dass man seinem Vater nicht glaubte, und das war etwas, das er nicht hinnehmen konnte.
    »Es war schon richtig so«, versicherte er und setzte, bevor Wulfila auch nur daran denken konnte, ihn zu unterbrechen, hinzu: »Ich war ja dabei, als wir den Kürbis geholt haben.«
    Herrad zog die Stirn kraus. »Ihr habt Euren Sohn angeleitet, Kürbisse zu stehlen?«
    Sie klang wie jener Richter in Valliolum, der Wulfila vor etwa drei Jahren mitgeteilt hatte, er sei mehr als ungeeignet, ein Kind aufzuziehen, und wenn er ihm Wulfin ließe, dann nur, weil ihm niemand anders einfiele, dem er den kleinen Jungen aufbürden könne.
    »Nein; er war nur dabei.« Wulfila konnte nur hoffen, dass Herrad auf feine Unterscheidungen ebenso viel Wert legte wie Malegis, denn was werden sollte, wenn sie beschloss, dass sie ihm nicht nur kein Wort glaubte, sondern auch noch Wulfin vor ihm retten musste, wusste er nicht. Unwillkürlich schlossen sich seine Finger fester um Wulfins Hand, als hätte das allein verhindern können, dass man ihm seinen Sohn wegnahm. »Er war wirklich nur bei mir. Ich würde ihm nicht willentlich etwas Rechtswidriges beibringen.«
    Er hätte noch mehr sagen können, doch zu erklären, wie es dazu gekommen war, dass er unter Umgehung bestehender Gesetze ein Abendessen zu beschaffen versucht hatte, hätte mindestens zu größerer Verwirrung, vielleicht aber gar zu einem ernstlichen Verhör geführt. Ohnehin wirkten Herrad und Oshelm nicht, als ob sie ihm seine Beteuerungen abnahmen.
    Mit weiteren Fragen hatte er folglich gerechnet, nicht aber mit dem, was Herrads Schreiber tatsächlich erwiderte: »Ihr seht nicht aus, als ob Ihr ihm viel anderes beibringen könntet .«
    Wulfilas Antwort war heraus, ehe er sich besser bedenken konnte: »Wenn Ihr Euch ein Urteil darüber zutraut, seid Ihr vermessen. Doch fere libenter homines id quod volunt credunt , nicht wahr?«
     »Ich gestehe, dass Caesar gelegentlich einen Anflug von Weisheit gehabt haben muss«, sagte Herrad behaglich.
    Ihr Blick traf seinen und einen Herzschlag lang waren sie nicht Richterin und Dieb, sondern nur zwei Menschen, die eine Erinnerung an ähnliche Erfahrungen verband, Lateinstunden in einer längst vergangenen Kindheit, holprige erste Übersetzungen und auswendig gelernte Texte, die man auch nach Jahren noch im Kopf hatte.
    Dann war es vorüber und Wulfila nickte. »So geht es zuweilen mit Leuten, denen man gemeinhin keinerlei Weisheit zugestehen möchte.«
    Sie musterten einander, und die Richterin schien nachzudenken. »Wenn Ihr Euch auf lateinische Zitate versteht, könnt Ihr vermutlich schreiben«, sagte sie am Ende.
    Wulfila nickte. »Nicht so schön wie ein ausgebildeter Schreiber, doch für den Hausgebrauch reicht es hin.«
    »Sehr gut.« Herrads Lächeln war allzu beifällig. »Oshelm, sucht ihm Schreibzeug heraus und setzt ihn an einen ruhigen Platz, wo er mir einen Bericht über das, was sich auf dem Brandhorst angeblich zugetragen hat, abfassen kann. Und achtet darauf, dass man ihn und seinen Sohn versorgt. Die beiden sind ein gutes Stück gelaufen und müssen erschöpft sein, ob ihre Geschichte nun wahr sein mag oder nicht. – Und Ihr« – sie sah wieder Wulfila an – »lasst Euch alle Zeit der Welt. Heute Nacht können wir ohnehin nichts mehr unternehmen, um von hier fortzukommen oder dem armen Ardeija zu helfen.«
    Damit wandte sie sich in der selbstverständlichen Gewissheit ab, dass ihren Anweisungen Folge geleistet werden würde, und ging zu einer Gruppe von drei Kriegern hinüber, die das Gespräch aus einiger Entfernung beobachtet hatte. Vermutlich würde sich einer von ihnen, allen Versicherungen der Richterin zum Trotz, binnen kürzester Frist auf dem Weg zum Brandhorst befinden, um Nachforschungen anzustellen oder ganz offen Aufklärung zu verlangen. Wulfila hätte liebend gern mit diesem

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