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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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lassen; er blieb ungerührt stehen, wo er war, und schien sich für eine ganze Weile seinen Betrachtungen hinzugeben, bevor er endlich doch noch sprach: »Ihr seid der Sohn von Corvisianus, nicht?«
    Die Feder glitt Wulfila fast aus der Hand und drohte, die zuletzt geschriebenen Sätze des Berichts durch einen hässlichen Tintenfleck unlesbar zu machen, doch darum konnte er sich jetzt nicht kümmern.
    »Mein Vater heißt Wulf«, erwiderte er durchaus der Wahrheit entsprechend, und verfluchte im Stillen Asgrim noch weit mehr als zuvor dafür, das Schwert einbehalten zu haben, das er bis zu seinem unfreiwilligen Aufenthalt auf dem Brandhorst bei sich gehabt hatte.
    Der Krieger entblößte einige schadhafte Zähne zu dem, was bei ihm einem freundlichen Lächeln am Nächsten kommen mochte. »Ah, alte Empfindlichkeiten! Ihr seid der Sohn von Corvisianus … Oder von Wulf aus Corvisium, wenn Ihr es lieber so wollt. Ich habe es gleich gedacht, als ich Euch vorhin von weitem sah. Ihr habt die gleichen Augen wie Euer Vater, oder hättet sie, wenn noch beide da wären. Es ist eine Schande, was sie mit ihm gemacht haben, eine verdammte Schande.« Er spuckte aus.
    Wulfila wusste nicht recht, was er auf diese Rede erwidern sollte.
    Sein Schweigen schien dem Mann zu denken zu geben, denn er strich sich fast verlegen das schüttere Haar zurück und setzte hinzu: »Vergebt – die Sache muss Euch ja nahegehen. Es tut mir leid, dass es so ausgegangen ist mit ihm; er hätte Besseres verdient gehabt, Euer Vater.«
    Wulfila legte die Feder beiseite. »Er ist nicht tot.«
    Der alte Krieger riss die Augen auf. »So ist er noch immer am Leben, nach all den Jahren? Der arme Mann, Gott sei ihm gnädig.«
    »Ich werde ihm Eure guten Wünsche ausrichten, wenn ich ihn das nächste Mal sehe«, versicherte Wulfila und legte mahnend eine Hand auf Wulfins Schulter, bevor der Junge auch nur in Versuchung geraten konnte, eine unbedachte Bemerkung zu machen.
    Wenn er gehofft hatte, das Gespräch auf diesem Wege rasch beenden zu können, hatte er sich getäuscht; der Alte war hartnäckig. »Traurig, das alles«, sagte er nun und deutete auf das Brandmal, das Wulfila sich hier gar nicht erst zu verbergen bemüht hatte. »Ist das da Euer Anteil an all den Wohltaten, die über ihn ausgeschüttet wurden?«
    Dies hätte in der Tat eine bequeme Ausrede sein können, und Wulfila bedauerte sehr, dass sie ihm zur falschen Zeit und am falschen Ort angeboten wurde. »Nein«, sagte er. »Das war schon rechtens und hatte mehr mit einem Huhn und einem seidenen Hemd zu tun als mit meinem Vater.«
    Die Erklärung war ehrlich, doch reichte sie für die Begriffe seines Gegenübers anscheinend nicht aus, um eine derart empfindliche Strafe zu rechtfertigen. »Eine Geldbuße hätte es auch getan! Was für ein Richter tut einem guten Mann das hier an, für ein albernes Huhn?«
    So gestellt machte die Frage eine Antwort, die zugleich höflich und wahrheitsgemäß war, unmöglich; dementsprechend dankbar war Wulfila, dass die betreffende Richterin selbst dafür Sorge trug, den Sachverhalt zu klären.
    »Ich«, sagte Herrad, die unbemerkt von ihrem Krieger herangekommen war, nämlich mit unbewegter Miene. »Eine entsprechende Buße konnte er nicht bezahlen. Also hätte ich nicht anders entscheiden können, es sei denn, ich wäre hart genug gewesen, den Wert dieses Huhns oder auch des Hemds bedeutend höher anzusetzen, als ich es, milden Sinnes, wie ich war, getan habe.«
    Der alte Krieger hustete. »Schön war das trotzdem nicht von Euch, Frau Herrad«, sagte er mit leisem Vorwurf, als er wieder zu Atem gekommen war. »Wenn es ein anderer gewesen wäre, gut, dann hättet Ihr ja Recht … Aber Ihr könnt doch nicht über einen Krieger, dem es nicht gut ergangen ist, urteilen wie über irgendeinen gewöhnlichen Beutelschneider. Wisst Ihr denn nicht, wer das hier ist?«
    »Eher einer Eurer Neffen als einer Eurer Schwäger, dem Alter nach«, sagte Herrad in einem Ton, der ahnen ließ, dass ihre Geduld genug beansprucht worden war. »Im Urteilsregister des Niedergerichts steht er auf jeden Fall.«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Zu viel der Ehre für mich, Frau Herrad – das ist der Sohn von Corvisianus. Ich habe es gleich gewusst und eben bestätigt gefunden.«
    Die Richterin war länger still, als Wulfila es erwartet hätte. »Tut mir einen Gefallen, Maurus«, sagte sie dann. »Fragt Gunhild, wie weit sie mit der Suppe ist, und auch, ob sich inzwischen der Tee wieder

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