Tricontium (German Edition)
selbst ausgeheckt. Ich war nur ein nützlicher Helfer.«
Er schien darauf zu warten, dass Herrad spätestens jetzt einschreiten und sein Geständnis zur Grundlage einer Anklage machen würde, doch die Richterin tat ihm nicht den Gefallen, schon ihre Einschätzung der ganzen Angelegenheit laut werden zu lassen; sie lauschte, während die anderen redeten.
»Befreit also – oder doch frei«, sagte Ardeija und klang nicht, als ob es ihn störte.
»Und nun will er einfach so fort?« Otter war wohl nicht überzeugt. »Er will die Barsakhanensöldner gar nicht haben – und auch nicht die Gelegenheit, die Tricontinische Mark wieder zu übernehmen?«
»Würdet Ihr Euch gern für Asgrims oder Ebbos große Pläne missbrauchen lassen?«, gab Oshelm zurück, ehe der Zauberer antworten konnte.
Herrad sagte immer noch nichts dazu, doch sie dachte bei sich, dass die Pläne zur Neuordnung der Tricontinischen Mark Otachars Entscheidung nicht ausgelöst haben mussten. Nach Jahren in Mons Arbuini wollte man sich wahrscheinlich nicht unbedingt auch noch das Leid aufladen, an einen zerstörten Ort zurückzukehren, um die Trauer um alles, was man verloren hatte, noch stärker zu empfinden. Wäre sie an Otachars Stelle gewesen, hätte sie sich vielleicht auch lieber ins Heidenland geschlagen, als nur mit einigen Kriegern zur Gesellschaft in einem alten Grenzturm zu hocken und tagtäglich an das erinnert zu werden, was nicht mehr war und nie mehr sein würde.
»Ich habe ihn nicht gefragt«, sagte Malegis ein wenig zu gleichgültig, »doch viele seiner Leute sind damals über die Grenze geflohen, auch die seiner Verwandten, die noch am Leben sind. Wenn er irgendwo auf freundliche Aufnahme hoffen kann, dann dort, und ein sicherer Ort, wo er mindestens für einen Winter bleiben kann, wird alles sein, was er nun haben will … Nun gut, vielleicht auch noch ein paar verlässliche Helfer, die hingehen und den restlichen Inhalt der Truhe für ihn bergen. Er hat eine schlimme Zeit hinter sich und wird nicht jünger. Wen wundert es, wenn er des Kämpfens müde ist?«
Herrad wunderte es in der Tat nicht; sie machte sich viel mehr Gedanken über eine andere Einzelheit. »Hat er Euch zufällig erzählt, wie er überhaupt nach Mons Arbuini geraten ist, ohne erkannt zu werden, und wo er vorher war? Oder wisst Ihr aus anderen Quellen etwas darüber?«
»Ihr stellt Fragen …« Die Ratlosigkeit des Zauberers wirkte nicht aufgesetzt. »Dass er in Mons Arbuini war, wusste ich seit etwas über einem Jahr. Er hat mir durch einen vorgeblichen Korbflechter, der eher ein gewohnheitsmäßiger Dieb mit einem vorgetäuschten Beruf war, Nachricht gesandt, als der Mann freigelassen wurde. Doch wie er dort hingeraten war … Was weiß ich! Er wird einen Fehler gemacht und dann vor einem ziemlich blinden Richter gestanden haben … Oder es war kein Fehler, sondern volle Absicht.«
»Absicht, dass er sich hat einsperren lassen? Dann müsste er verrückt gewesen sein.« Ardeija schien allerdings nicht recht zu wissen, ob er an Otachars Verstand zweifeln sollte oder lieber an dem des Magus, der solch krause Gedankengänge zur Erklärung heranzog.
Aber Malegis schien seine Überlegung durchaus ernst gemeint zu haben; er wirkte traurig, als er nun den Blick zu Ardeija wandte. »Seid froh, dass Ihr das glauben könnt, Herr Ardeija. Es gibt Taten, die man sich selbst nicht verzeihen kann und für die man Strafe zu verdienen meint, vor sich selbst wie vor höheren Mächten, da es keine Wiedergutmachung geben kann. Denkt an Bocernae.«
Ein Schatten legte sich über Ardeijas Gesicht, und Herrad ahnte, dass er sich auch ohne die Aufforderung des Zauberers viel zu gut an die blutgetränkten Simertiusauen und alles, was dort geschehen war, erinnerte. »Es muss schlimm sein, einen Freund erschlagen zu haben«, räumte er ein, »aber man müsste dennoch ein Narr oder ein Heiliger sein, wenn man sich zur Buße für ein Versehen, so fürchterlich es auch gewesen sein mag, freiwillig nach Mons Arbuini begeben wollte.«
Malegis lächelte, doch es war das Lächeln eines betrübten Lehrers, der die unschuldigen Annahmen seines Schülers um der Wahrheit willen beiseitewischen muss. »Denkt weiter, und Ihr werdet Eure Antwort finden. Ihr wart damals dort und habt alles gesehen. Doch saht Ihr auch ein Büschel Heidekraut am Helm des Speerwerfers, der Gudhelm von Sala tötete?«
33. Kapitel: Freundschaften
Es war am Vortag nicht sonderlich schwer gewesen, die Zellentür im
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