Tricontium (German Edition)
schien allerdings zu wissen, was er tat; er hatte frisches Verbandszeug bereitgelegt und ging nun ans Werk, ohne Zeit zu verlieren. »Ordnen wir die Knochen!«
Seine Hände bewegten sich so sicher und geübt, als habe er schon viele Male zurechtgerückt, was andere zerbrochen hatten, und nach einigen Augenblicken begann er, ein altertümliches Lied zu singen, ohne auch nur einmal außer Atem zu geraten, während er Asri durch ein Nicken hier, einen knappen Fingerzeig dort bedeutete, welche Unterstützung er benötigte. Er sang von den alten Göttern, die bessere Heilzauber als die Menschen kannten und bewirken konnten, dass wieder zusammenwuchs, was gebrochen war, und Ardeija wünschte sich, er hätte daran glauben und allen vorsichtigen Einschätzungen zum Trotz neue Hoffnung schöpfen können.
Von Theodulf kam kein Laut, doch als Malegis endlich die Salbe auftrug, die nach Kräutern duftete, und Zauberrunen in die Stäbe schnitt, die als neue Schienen dienen sollten, hatte Ardeija den Eindruck, dass sein Vater sehr froh war, das Schlimmste nun überstanden zu haben.
»Ändert nichts an den Verbänden«, befahl der Magus, nachdem er mit größter Gründlichkeit und weiteren seltsamen Gesängen mehrere Lagen festen Stoffs so sicher angebracht hatte, dass sich gewiss kein Knochenstück mehr verschieben konnte. »Ich werde wiederkommen, wenn es Zeit ist, etwas daran zu tun. Trinkt nun das Mittel, das Euer Sohn zubereitet hat, und geht bald schlafen. Ihr habt Ruhe nötig.«
Theodulf nickte ungewöhnlich folgsam; es musste wirklich sehr wehgetan haben.
Malegis räumte seine Sachen zusammen. »Ich verlange auch nur einen halben Solidus, weil sich heute niemand dagegen gewehrt hat, behandelt zu werden«, erklärte er vergnügt, und Ardeija sah den Kauf eines neuen Pferdes in weite Ferne rücken. Vielleicht konnte er Frau Herrad bitten, Wigbolds Pferd den Winter über behalten zu dürfen, und dann weitersehen.
Doch seine Mutter, die es Rambert überlassen hatte, den Becher an Theodulfs Lippen zu setzen, kam ihm abermals zuvor und zählte Malegis die verlangten sechs Denarii anstandslos auf den Tisch.
Das Geld verschwand rasch im Ärmel des Zauberers. »Ich danke Euch, Frau Asri, hierfür und auch für Eure gute Suppe. Nun können wir zum vergnüglichen Teil des Abends übergehen, nicht wahr? Kommt her, Herr Ardeija! Wir werden gemeinsam Euren Fürsten rufen und uns anhören, was er zu erzählen hat. Euer Drache ist nicht hier?«
»Doch, aber er schläft.«
»Dann wollen wir ihn nicht stören. Schlafende Drachen lässt man besser in Ruhe, und da Ihr mich habt, wird es auch ohne ihn sehr gut gehen. Setzt Euch hierher, neben mich, und ruft Herrn Gudhelm.«
»So, wie man die Ahnen anruft?«
Malegis zuckte die Schultern. »Ich kenne mich wenig mit den Gebräuchen der Barsakhanen aus, aber soweit ich es beurteilen kann, ist ihre Art der Abwehr böser Geister recht wirkungsvoll.« Er warf einen anerkennenden Blick zu den kleinen, zähnefletschenden Dämonen unter der Decke empor. »Versucht es also ruhig, wie Ihr es gewohnt seid, und blickt dann mit mir in den Spiegel.«
Es kam Ardeija zwar nicht ganz angemessen vor, eine solche Anrufung vorzunehmen, ohne erst die Himmelsrichtungen bezeichnet zu haben, aber es ging ja auch nur um Fürst Gudhelm, der nicht viel von den Sitten der Barsakhanen verstanden hatte, und nicht um einen fernen Vorfahren, der hätte beleidigt sein können. So kreuzte er die Arme vor der Brust, wie es sich gehörte, senkte den Kopf und begann den Sprechgesang für die Ahnen, den Asri ihn vor Jahren gelehrt hatte, um seinen toten Fürsten herbeizurufen.
»Vielleicht solltet Ihr eine Sprache wählen, die er auch versteht«, riet Malegis milde, und Ardeija schloss die Augen, um das unterdrückte Gelächter seiner Familie nicht auch noch sehen zu müssen.
Er wiederholte die Anrufung und erhielt zum Dank nur einen Rippenstoß. »Nun seht gefälligst auch hin!«
Der Spiegel, der eben noch matt Ardeijas Gesicht neben dem bärtigen Kopf des Magus gezeigt hatte, war trüb geworden und klärte sich nun auf einen Wink des Zauberers; als die Bronzescheibe wieder glänzte, war schattenhaft eine ganz andere Gestalt zu erkennen und eine Stimme, fast nur ein Hauch, beklagte sich: »Ihr seid rücksichtslos und grob geworden, Schwertmeister! Was ist das für ein Benehmen, mich zu dieser Nachtzeit noch zu belästigen?«
»Vergebt, mein Fürst«, sagte Ardeija beschämt, »aber ich dachte, einem Geist ist es
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