Tricontium (German Edition)
nicht mehr so wichtig, wie spät es ist?«
Wahrscheinlich war es gut, dass er die Verwünschungen, die Gudhelm daraufhin murmelte, nur halb verstand.
Malegis hatte wohl mehr gehört, denn er lachte. »Nun beruhigt Euch, Fürst! Ihr seht, dass meine Anwesenheit und meine Hilfsmittel notwendig sind, damit Herr Ardeija mit Euch sprechen kann, und früher konnte ich ihm nicht zur Verfügung stehen.«
»Vergebt«, bat Ardeija noch einmal und fuhr auf Gudhelms nur halb gnädiges Nicken hin fort: »Ich benötige Eure Hilfe dringend, sonst hätte ich Euch nicht gestört. Ihr wart neulich auch auf dem Brandhorst, als ich dort war, und vielleicht auch noch kurz danach? Jedenfalls muss meine Herrin wissen, was dort vorgefallen ist, und wenn Ihr es uns nicht sagen könnt, wird sich ein Spion in große Gefahr begeben müssen. Es ist so, dass Herr Geta …«
Er hielt inne; das Bild des Gespensts war bei diesen letzten Worten noch undeutlicher als zuvor geworden und wurde nur langsam wieder klarer.
»Das war keine Absicht, das schwöre ich Euch bei allem, was mir heilig ist«, flüsterte die Geisterstimme.
Ardeija winkte großzügig ab. »So schlimm ist das nicht, ich sehe Euch noch ganz gut. Was ich eigentlich fragen wollte, ist, ob Ihr vielleicht etwas über Herrn Getas Tod wisst.«
Das schemenhafte Gesicht im Spiegel schien fast zu zerfließen. »Eben davon sprach ich, Schwertmeister. Ich habe seinen Tod nicht gewollt, glaubt mir das.«
»Ihr …«, begann Ardeija und wusste nicht, wie er angesichts dieses Geständnisses einen ganzen Satz zusammenbekommen sollte.
Gudhelm hatte wieder eine erkennbare Form angenommen und schien höchst betrübt dreinzusehen. »Ich wollte ihn zur Rede stellen, das ist wahr, und auf dem Brandhorst war ich auch sichtbar genug, um das tun zu können. Der edle Vogt war immerhin bereit, Euch mitsamt Eurem Vater zu opfern, um Asgrim bei Laune zu halten, obwohl er Euch seinen Schutz zugesichert hatte! Das konnte ich doch nicht hinnehmen.«
»Nein«, sagte Ardeija halb gerührt, »aber Ihr hättet ihn ja auch nicht gleich umbringen müssen! Wie habt Ihr das überhaupt angestellt?«
»Nichts habe ich angestellt!«, kam es verärgert von dem fürstlichen Gespenst. »Ich bin nur zu ihm gegangen, als er nach Eurer Flucht von der erfolglosen Jagd auf Euch zurückkehrte und allein war. Wie hätte ich denn ahnen können, dass es zu viel für einen erwachsenen Mann sein würde, einen harmlosen Geist aus der Wand treten zu sehen? Weiter als ›Ihr habt Unrecht getan, Vogt Geta von Aquae Calicis, ich fordere Rechenschaft von Euch!‹ bin ich gar nicht gekommen, bevor er umgefallen ist … Und nun hört auf zu lachen!«
Es wäre Ardeija schwer gefallen, dieser nachdrücklichen Aufforderung tatsächlich nachzukommen, wenn ihm nicht mitten in seiner Heiterkeit aufgegangen wäre, dass er am Vortag um dieselbe Zeit nahe daran gewesen war, den Tod des Mannes, mit dem er nun sprach, aufs Neue zu beweinen. »Ihr habt Recht«, sagte er ernüchtert. »Eigentlich gibt es nichts zu lachen. Ich … danke Euch, dass Ihr meinetwegen mit dem Vogt reden wolltet.«
»Mit solchem Gesicht spricht man keinen Dank aus, Schwertmeister«, gab Gudhelm zurück. »Tragt Ihr mir Getas Tod derart nach, obwohl ich ihn nicht absichtlich bewirkt habe?«
Ardeija schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht, mein Fürst. Ich weiß nicht, ob Ihr es mitbekommen habt, aber ich weiß jetzt, was bei Bocernae geschehen ist. Das war kein Versehen.«
»Nein«, bestätigte Gudhelm ohne die mindeste Aufregung. »Das war in der Tat kein Versehen.«
Die kühle Bestätigung, dass Otachar den Speer vorsätzlich geworfen hatte, ließ Ardeija erschauern. »Wie könnt Ihr ihm das vergeben?«, fragte er und wusste nicht, wie er vor einem Augenblick noch hatte lachen können. »Ihr vergebt ihm einfach und schickt mich noch hin, um ihm zu sagen, dass Ihr diesen … diesen Verrat verzeiht! Wenn Ihr das könnt, seid Ihr entweder ein besserer Mensch als ich oder …«
»Bringt den Satz besser nicht zu Ende«, fiel der Geist ihm ins Wort. »Ihr wisst wohl, dass ich erst zornig war und nicht gleich vergeben konnte. Doch ich sah recht früh ein, warum es so hatte kommen müssen. Vielleicht könnt Ihr das nicht verstehen. Ihr wart nie ein Fürst.«
»Nein, der war ich nie«, sagte Ardeija. »Aber um ehrlich zu sein, bevorzuge ich es auch, ein Mann zu sein und zu bleiben, der Freunde hat, die ihn lieber aus der Schlacht tragen, als ihn zu
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