Tricontium (German Edition)
wirklich ein ganz echter Kampf, eher ein trunkener Tanz in einem Takt, den Trommeln, die nur Wulfila hören konnte, angaben, und nun ging es einen Schritt vor und noch einen, der zu einer halben Drehung wurde, denn jetzt war er doch etwas zu leichtsinnig gewesen, nicht sehr, aber doch genug, sich die Haut unter dem fehlenden Auge von Liutbrands Schwertspitze ritzen zu lassen.
Die Krieger vom Brandhorst johlten und Liutbrand nahm sich die Zeit, leicht spöttisch zu ihnen hinüberzugrüßen, als ob er sich nun doch zu sicher fühlte. Nun, wenn er meinte …
Spätestens als eine frische Wunde sein Gesicht genau an der Stelle zierte, an der er den lächerlichen Kürbisdieb getroffen hatte, schien ihm allerdings aufzugehen, dass er nicht derjenige war, der es sich hier leisten konnte, mit seinem Gegner zu spielen. Er zögerte einen Herzschlag zu lange und Wulfila dachte gar nicht daran, ihn seine vorherige Ruhe wiedergewinnen zu lassen.
Der Rest war wirklich nur noch ein Tanz und ein Rausch, bis Liutbrands Klinge nutzlos über das Steinpflaster des Hofs bis vor Dados Füße sprang, während Liutbrand stürzte und sich mit Ansgars Schwert an der Kehle wiederfand, ganz so, wie es sein sollte.
Dann herrschte für einen Augenblick tiefe Stille, in der Wulfila zu sich kam, wenn auch sein Herz noch zu wild schlug.
Als schließlich Beifall losbrach, der noch nicht einmal so verhalten war, wie Wulfila erwartet hatte, übertönte eine Stimme alle anderen: »Lasst mir Liutbrand ganz, Schwertmeister! Gut gekämpft!«
Wulfila reichte Ansgar sein Schwert zurück und half Liutbrand auf die Füße, wie es sich gehörte, bevor er sich Asgrim zuwandte, der gerufen hatte und sich nun lächelnd und hochzufrieden einen Weg durch die Krieger bahnte, obwohl das Gehen ihm noch etwas schwerzufallen schien.
Nur kurz wagte Wulfila, sich auszumalen, was nun hätte sein können – eine feierliche Aufnahme in den Haushalt des Fürsten vom Brandhorst, ein Treuegelöbnis, zu viel Wein, ein ausgelassenes Fest, Glückwünsche von allen, selbst von Ebbo, der nun oben auf der Treppe zum Hauptturm stand und in die Hände klatschte, als hätte er Wulfila nicht vor einigen Wochen noch davongejagt, all die Achtung, die einem Schwertmeister zukam, jetzt und für viele Jahre, und nicht zuletzt die Aussicht, dass Wulfin ihm einst nachfolgen würde, statt bestenfalls als armer Schreiber auf irgendeinem Marktplatz zu enden.
»Ich bin niemandes Schwertmeister«, sagte er laut und lachte, obwohl ihm das Blut über die Wange rann, »und ich werde nicht Euer Schwertmeister sein, Fürst Asgrim. Wenn Ihr mich offen und ehrlich darum gebeten hättet, hätte ich angenommen. Doch Ihr wolltet mich erpressen, meinem Vater schaden und mich bei meiner derzeitigen Herrin anschwärzen. Wen oder was Ihr auf diesem Wege zu bekommen hofftet, weiß ich nicht, aber ich bin gewiss nicht der Richtige. Viel Glück bei der Suche nach Eurem neuen Schwertmeister. Sprecht den nächsten anders an als mich, vielleicht findet Ihr dann einen.«
Heimlich erstaunt, dass man ihn hatte ausreden lassen, nahm er Dado den Umhang vom Arm und ging; die Leute machten ihm den Weg frei, ohne dass er darum bitten musste.
Er hatte den Torbogen schon erreicht, als Asgrim endlich sprach. »Herr Wulfila!«
Halb wider besseres Wissen blieb Wulfila stehen und sah sich um, doch es kamen keine verärgerten Krieger, um ihn vor ihren Fürsten zu schleifen und eine Entschuldigung zu erzwingen. Am Ende der Schneise, die sich noch nicht wieder geschlossen hatte, stand nur Asgrim allein. »Wenn Ihr je aus freiem Willen zurückkehren wollt, Schwertmeister, so seid willkommen. Ich werde Euch mit Freuden aufnehmen. An meinem Feuer wird von nun an ein Platz für Euch freigehalten werden.«
Damit neigte er den Kopf zu einem ehrerbietigen Abschiedsgruß. Eine Antwort erwartete er sicher nicht.
Wulfila wandte sich ab, ging zum Tor hinaus, quer über den Cardo und bis zum Praetorium, ohne sich noch einmal umzusehen oder auch nur seinen Mantel umzulegen.
In der Vorhalle des Hochgerichts war Ardeija damit befasst, Medardus vor den andächtig lauschenden übrigen Kriegern, die wohl froh waren, dass der Kelch für diesmal an ihnen vorübergegangen war, zu erzählen, was ein Mann verdient hätte, der binnen weniger Tage schon den zweiten abgebrochenen Schlüssel zu verantworten hatte.
Er unterbrach seine Vorhaltungen, als er Wulfilas Ankunft aus dem Augenwinkel wahrnahm.
»Na endlich!«, sagte er. »Da wäre
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