Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
Vom Netzwerk:
böse war, und legte dann seine besten Kleider an, wie es sich gehörte, wenn im Namen des Königs Recht gesprochen werden sollte. Er hatte viel Zeit am Vorabend damit verbracht, seine Stiefel und die runde Bronzespange, die seinen Mantel halten sollten, blankzureiben, und entfernte nun sorgfältig jedes Stäubchen, das so frech war, sich auf den dunklen Stoff der Tunika oder in die Falten des Umhangs zu verirren. Wie immer an solchen Tagen steckte er seine Haare zu einem festen Knoten zusammen, wie ihn die Bogenschützen der Barsakhanen trugen. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass er so würdiger und strenger wirkte, was gelegentlich die richtigen Leute beeindruckte. Genauso unweigerlich forderte es alle drei Wochen einen Scherz von Frau Herrad heraus, aber das hatte er mit Fassung zu tragen gelernt.
    Rambert beobachtete seine Vorbereitungen aufmerksam. »Wie läuft es eigentlich ab, wenn Gericht gehalten wird?«, fragte sie schließlich, als Ardeija gerade Theodulfs Schwert umgürtete. »Frau Herrad und all ihre Leute kommen zusammen – und dann?«
    Ardeija sah verwundert auf. »Warst du nie dabei, wenn Fürst Asgrim auf dem Brandhorst Gericht gehalten hat? So viel anders wird es nicht sein.«
    Rambert schüttelte den Kopf und Theodulf, dem es sichtlich Vergnügen bereitete, dass Gjuki sich in seinem Ärger über Ardeija auf seine Schulter geflüchtet hatte, lachte. »Nicht viel anders? Das glaubst auch nur du.«
    Ardeija hob die Augenbrauen. »So? Nun, es sollte mich wohl nicht wundern, wenn seine Vorgehensweise ebenso abenteuerlich ist wie seine Vorstellung von Gerechtigkeit.«
    Theodulfs Miene wurde wieder ernst. »Ein Fürst, der Recht spricht, ist immer auch ein Fürst und nicht allein ein Richter. Er muss auf andere Dinge Rücksicht nehmen als nur auf das Gesetz.«
    »Wohin es führt, wenn Richter das tun, haben wir nach Bocernae gesehen«, erwiderte Ardeija und sah wieder Rambert an. »Wenn du möchtest, kannst du ja mitkommen. Aber es wird ein langer Tag werden, vielleicht auch ein langweiliger.«
    »Das macht nichts«, sagte Rambert und klang so glücklich, dass Ardeija befürchtete, dass sie ihm ohnehin nicht glaubte. Für weitere Warnungen war allerdings keine Zeit mehr.
    »Eigentlich ist es ganz einfach«, erläuterte er auf dem Weg zum Haus der Richterin, von dem aus seine Herrin gleich mit Gefolge und gebührender Gemessenheit zum Praetorium ziehen würde. »Frau Herrad sitzt in ihrem Faltstuhl – dem mit den Löwenfüßen, den du aus der Kanzlei kennst – am Kopfende des Saals oder im Sommer draußen unter der Linde … Aber nun hat sie ja keine Linde mehr.« Vor dem Praetorium gab es auch keinen geeigneten anderen Baum, der die alte Linde hätte vertreten können, und Ardeija war für einen Augenblick sehr bekümmert darüber. »Jedenfalls hört sie sich alle Anklagen und Streitigkeiten an, die vor sie gebracht werden. Einer ihrer Schreiber hält alles fest, was aufgeschrieben werden muss, der zweite holt währenddessen immer schon die Papiere für die nächste Verhandlung aus der Kanzlei oder sucht rasch für Frau Herrad etwas aus den Leges heraus, für die Fälle, die unangemeldet vor ihr landen. Denn es kommen auch jedes Mal Leute, die vorher noch nichts von sich haben hören lassen, gerade die Alten, in deren Jugend es noch nicht Sitte war, für eine Gerichtssitzung viel schriftlich vorzubereiten, oder welche aus den Landgebieten, die zu Aquae gehören. Weil manche von denen auch gar nicht kommen, unternimmt Frau Herrad in jedem Sommer zwei Umritte, um auch auf dem Lande Gericht zu halten und das Nötigste zu erledigen. Was nun uns betrifft, meine Krieger und mich … Wir sind an Gerichtstagen für alles Übrige zuständig, dafür, Leute ruhig zu halten, die sonst handgreiflich werden könnten, Gefangene vorzuführen und Strafen zu vollstrecken, wenn es notwendig ist.« Er lachte unfroh. »Ich fürchte, Wulfila wird es nicht gern sehen, wenn ich heute ein Brandeisen zur Hand nehmen muss, aber es darf ja nicht heißen ›Der Hauptmann gibt uns nur Anweisungen und steht ansonsten nutzlos herum‹, nicht wahr?«
    Rambert nickte ernst und Ardeija fragte sich, ob sie einen ähnlichen Satz vielleicht schon einmal von Theodulf gehört hatte.
    Er kam nicht dazu, sich bei ihr danach zu erkundigen, da sie gerade Frau Herrads Haus erreichten und die Krieger, die schon im Hof versammelt waren, nicht alles mit anhören sollten. Ardeija nickte nur kurz zu ihnen hinüber, als er die Stufen zur Küchentür

Weitere Kostenlose Bücher