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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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sich über seinen Bewacher lustig zu machen oder ihn gegen sich aufzubringen.
    »Ihr meint, ich habe auch so einen Tiergeist?«, fragte er und dachte an die guten Geister, die in den Geschichten, die Asri ihm erzählt hatte, als er ein Kind gewesen war, immer die tapferen Helden beschützten und Tiergestalt haben konnten, listige Fuchsgeister für die Schlauen, die schneller dachten als all ihre Feinde, starke Bärengeister für die gewaltigen Kämpfer, deren Schwertschläge herabsausten wie Prankenhiebe, Vogelgeister für die wendigen Bogenschützen, deren Pfeile wie niederstürzende Falken über ihre Gegner kamen, und schließlich Tigergeister, die mächtigsten von allen, die nur Krieger auserwählten, denen ein großes und ungewöhnliches Schicksal bestimmt war … Aber Asri hatte an dem Tag, an dem er aus seinem ersten ernsthaften Kampf heimgekehrt war, keinen Schutzgeist im Feuer gesehen und die Tiergeister waren ihm nicht näher gewesen als die Steppendämonen. Sie waren zwar sicher irgendwo und irgendwie vorhanden, aber unendlich fern.
    Vielleicht sah er den Zauberer deshalb fast etwas zu hoffnungsvoll an, denn Remigius musterte ihn befremdet und hob die Schultern. »Was heißt ›ihn haben‹, Herr Ardeija? Ein Besitz ist das nicht. Doch hilfreiche Mächte kommen in vielerlei Gestalt, und sie wissen recht gut, wann man sie benötigt.«
    Ardeija hätte gern mehr gehört, und sei es auch nur, um einschätzen zu können, ob Remigius wirklich mehr sah als andere Leute, doch die Zahlung der Buße war endlich abgeschlossen und Frau Herrad bedeutete ihm, den Zauberer zur Tür zu führen und in aller Form zu entlassen, wie es sich gehörte.
    Da Remigius somit nicht mehr Rede und Antwort stehen konnte, wandte Ardeija sich an Wulfila, wie er es früher manchmal getan hatte, wenn etwas ihm unklar oder verwirrend erschienen war. Wer die Namen aller möglichen alten Römer kannte und Latein lesen konnte, musste schließlich auch wissen, wie es sich mit Tiergeistern und dergleichen verhielt.
    »Wulfila?«, begann er, als sein Freund ihm am Ende des langen Tages, als die Leute der Richterin das Praetorium wieder für sich hatten, das versiegelte Begleitschreiben in die Vorhalle brachte, mit dem die zwei Krieger, die den Fälscher bewachen sollten, am nächsten Morgen nach Mons Arbuini aufbrechen würden. »Du weißt doch sicher etwas über Tiergeister?«
    »Tiergeister?« Wulfila sah ihn an, als wolle er sagen, dass er eigentlich zu müde sei, über solche Dinge nachzudenken, und antwortete dann doch: »Nun … Als die alte Runenmeisterin gestorben ist, die an der Quelle gewohnt hat, im Wald östlich von Sirmiacum, da haben die Leute erzählt, dass sie zu starrsinnig war, diese Welt ganz verlassen zu wollen, und als Elster wiedergekommen ist, als Elster mit roten Augen. Gesehen habe ich sie aber nie.«
    Ardeija schüttelte den Kopf. »Nicht Gespenster … Gute Geister. Die Art von Geistern, die Tiergestalt annehmen und die Krieger beschützen, oder auch andere Leute.«
    Wulfila überlegte schweigend. »Davon versteht deine Mutter mehr als ich«, sagte er am Ende. »Die hat doch immer von der Frau erzählt, die von einem Hasen beschützt wurde und fürchterliche Rache an allen nahm, die sie deswegen verspotteten … Und sie hat am Ende zwei wunderschöne Häuptlingssöhne in ihr Zelt mitgenommen. Das hat mich damals sehr beeindruckt.«
    Ardeija lachte und hielt Wulfila am Arm fest, bevor er das Gespräch verfrüht beenden konnte. »Das ist wahr, aber ich möchte wissen, was die Leute hier darüber erzählen.«
    Wulfila hob die Schultern. »Viel erzählen sie nicht.«
    »Etwas aber doch?«
    »Wie gesagt, ich verstehe nichts davon. Ich weiß nur, dass Godegisel etwas zu meinen Eltern gesagt hat, als ich gerade geboren worden war – sie sollten mir einen anderen Namen geben, denn einen zweiten Wolf auf eine einzige Familie herabzurufen wäre gefährlich und spätestens der dritte wäre mehr, als man in dunklen Winternächten ums Haus streichen haben wollte.« Er lächelte und sah für einen Augenblick tatsächlich fast so aus wie der Wolf, der in seinem Namen wohnte. »Deshalb habe ich Wulfin natürlich erst recht den dritten Wolfsnamen gegeben.«
    »Du glaubst also nicht daran?«
    »Doch, ein wenig schon. Es kann nicht schaden, an Engel und an Walküren zu glauben, wie mein Vater sagt. Aber gerade deshalb war es doch wichtig. Die Wölfe sind sicher traurig, wenn man es wie Godegisel hält und sie nicht haben will. Dann

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