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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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machen sie einem wahrscheinlich absichtlich noch mehr Angst in den Winternächten. Aber wenn man ihnen zeigt, dass man sie haben möchte, freuen sie sich doch wohl und tun einem nichts.«
    »Hast du ihn schon einmal gesehen? Den Wolf, der an deinem Namen hängt, meine ich?«
    »Nein; vielleicht gibt es ihn ja auch nicht«, sagte Wulfila und klang doch, als hätte es ihn sehr enttäuscht, irgendeine Bestätigung für das Nichtvorhandensein des Wolfs zu erhalten, den Godegisel ihm versprochen hatte. »Worauf willst du überhaupt hinaus?«
     »Nun, Remigius hat da etwas erzählt … Er sagte, Frau Herrad hätte einen Raben auf der Schulter gehabt, der ihr etwas über Wahrheit und Lüge ins Ohr gesagt hätte …«, begann Ardeija und kam nicht dazu, das Tier ohne Namen zu erwähnen, da die Richterin eben gefolgt von Oshelm in die Vorhalle trat.
    »Sehr gut«, bemerkte sie in nur halb ernstem Tonfall. »Auf dem Weg nach Tricontium hat mich Oshelm ja vor den heidnischen Überzeugungen gewarnt, die mir dort begegnen würden, aber anscheinend finden sie mich mittlerweile auch hier ohne Schwierigkeiten. Ich habe also einen Raben, ja?«
    »Sagt Remigius«, bestätigte Ardeija verlegen. »Vielleicht hätte ich ihn entschiedener dafür zurechtweisen sollen?«
    »Nein«, entgegnete die Richterin, »wenn er den Raben meint, habe ich ihn schon gesehen.«
    Sie gab Adela, die schon die Schlüssel für die Nachtwache übernommen hatte, einen Wink, die Tür aufzuschließen. Rambert, die mit Gjuki auf dem Schoß auf der Bank gedöst hatte, merkte, dass es nun nach Hause gehen würde, und kam auf die Füße. Die schwere Eichentür des Praetoriums schwang auf und die kühle Nachtluft trug den Klang einer Glocke heran, dann einer weiteren, bis schließlich alle Glocken von Aquae läuteten, wie sie es getan hatten, um Herrn Getas Tod zu verkünden.
    »Was denn, hat es den neuen Vogt auch hinweggerafft?« Wulfila klang nicht, als ob es ihn sehr betrübte, Ebbos vorzeitiges Ableben vermuten zu müssen.
    Ardeija konnte es ihm nicht verdenken. »Noch ist er nicht Vogt«, gab er zurück. »Würden sie auch für einen selbsternannten Vogt läuten?«
    »Nein«, sagte Frau Herrad. »Aber sie läuten nicht nur, wenn jemand stirbt, sondern auch, wenn jemand kommt – Feinde etwa, oder ein missus regius .«
    »Meint Ihr, dass jetzt schon ein Königsbote hier sein könnte?«
    »Schon?« Herrad lachte freudlos. »Wenn ein Anschlag auf den König zeitlich fast mit dem ungeklärten Tod eines seiner Vögte zusammenfällt, dann wird man in Padiacum nicht lange gezögert haben. Nur ich war zu langsam. Mein Schreiben wird dort zu spät eingetroffen sein.«
    »War das der Brief vom Sonntag?«, fragte Wulfila.
    Ardeija wusste nicht, wovon er sprach, doch die Richterin nickte. »Er wird zu spät gekommen sein, um noch viel ausrichten zu können, wenn jetzt schon ein missus regius gemeldet wird.«
    »Vielleicht ist es ja auch etwas anderes?«, schlug Ardeija hoffnungsvoll vor, doch Frau Herrad schüttelte mit großer Überzeugung den Kopf und er musste wieder an das denken, was Remigius gesagt hatte. Vielleicht erkannte der Rabenkönig noch andere Wahrheiten als die, die ihm geradewegs ins Gesicht gesagt wurden, und hatte der Richterin ins Ohr gekrächzt, dass nun ein Königsbote eingetroffen war.
    Gjuki, der mittlerweile auf Ardeijas Schulter saß, war ungewöhnlich still, als lausche auch er dem Glockengeläut und den aufgeregten Stimmen der Menschen, die aus den umliegenden Häusern auf die Straßen hinausgetreten waren, um zu sehen, was vorging.
    »Schließt die Tür«, befahl Herrad. »Wir gehen durch den hinteren Ausgang; es fehlte gerade noch, dass die Leute aufmerksam werden und beschließen, dass das Hochgericht ihnen alles erklären soll!«
    So klug, keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu wollen, war auch Ebbos Bote gewesen, den sie im Saal vorfanden. Afra hatte ihn durch die Hintertür, zu deren Bewachung sie abgestellt war, eingelassen. Der Mann sprach leise mit der Richterin und zog sich dann zur Tür zurück, um zu warten.
    Frau Herrad wandte sich zu ihrem Gefolge um; auf ihrem Gesicht hielten sich Befriedigung und Besorgnis die Waage. »Es ist tatsächlich eine missa regia auf der Burg und man erwartet mich dort. – Ardeija? Ihr begleitet mich.« Ihr Blick ging zu ihren Schreibern. »Ihr beiden haltet Euch bitte hier bereit, falls jemand heute noch Einsicht in die Papiere des Hochgerichts verlangen sollte. Wenn bis Mitternacht niemand gekommen

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