Tricontium (German Edition)
Stier zu beschwören, wisst Ihr? Wenn man verärgert ist, kann das so gut wie versehentlich geschehen …«
Man hätte ihm beinahe abnehmen können, dass ihm alles aufrichtig leidtat, und vielleicht setzte die Richterin auch deshalb eine Buße fest, die für einen Fall schädlichen Zaubers vergleichsweise milde ausfiel und Fortunatus offensichtlich kaum genug war.
Die Frau des Zauberers, die sich bereiterklärte, die fünfeinhalb Solidi zu bezahlen und mit einem solchen Ausgang gerechnet haben musste, da sie die Summe bei sich trug, war dennoch alles andere als glücklich. »Wenn Ihr ihn den Winter über in den Turm gesetzt hättet, hätte es dem Schwachkopf gut getan!«, sagte sie vertraulich zu Herrad, während sie ihr das Geld vorzuzählen begann, und blickte kurz über die Schulter, um sich zu vergewissern, ob ihr Mann sie auch ja gehört hatte.
Der unglückliche Zauberer, der neben Ardeija stand, der ihn in aller Form in die Freiheit entlassen würde, wenn alles geregelt war und Frau Herrad ihm den Wink dazu gab, sah noch viel schuldbewusster drein als während der Verhandlung. »Das wäre auch besser gewesen«, sagte er leise, halb zu sich selbst, halb vielleicht auch zu seinem Bewacher, als hätte er einen Menschen nötig, der ihm jetzt zuhörte. »Viel besser! Sie wird mich erwürgen. Spätestens heute Abend, wenn die Mädchen schlafen, bringt sie mich um.«
Das klang nicht nach einer langen Gnadenfrist. Ardeija hätte dem erbarmenswerten Magus gern tröstend auf die Schulter geklopft. »Das ist aber auch Eure eigene Schuld«, sagte er mit einem Kopfschütteln und senkte, als er fortfuhr, die Stimme, damit die Richterin ihn nicht verstehen würde: »Warum habt Ihr überhaupt gestanden? Ihr wisst doch wohl, dass Ihr davongekommen wärt, wenn Ihr weiter geleugnet hättet?«
Vorn am Schreibpult, wo noch immer die Bezahlung der Buße im Gange war, kam es zwischen Domitia und Fortunatus zum Streit und der Händler bestand darauf, jede Münze des Anteils an der Gesamtsumme, der an ihn ging, eigenhändig nachzuwiegen.
Remigius senkte den Blick, als wolle er die Folgen seiner unbedachten Tat lieber nicht zu genau mit ansehen. »Das konnte ich nicht!«
»Dann habt Ihr Euch aber einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht, Euren Anstand zu entdecken!«
»Das war kein Anstand. Sie hätte es bemerkt, wenn ich gelogen hätte.«
Ardeija begriff, dass der Zauberer nicht länger von seiner Frau sprach. »Wer? Frau Herrad?«
»Ja. Sie hat einen Raben auf der Schulter.«
Er hatte mit solcher Überzeugung gesprochen, dass Ardeija sich dabei ertappte, aufzusehen und die Richterin prüfend zu mustern, die gerade Fortunatus ermahnte, sich nun zurückzuhalten. Doch alles war wie immer; es gab auf Herrads Schulter weder einen Raben noch etwas, das nach einem hätte aussehen können. Ardeija fragte sich, ob es seine Pflicht war, die Bußzahlung zu unterbrechen und darauf hinzuweisen, dass man jemandem, der verwirrt genug war, sich Vögel einzubilden, vielleicht auch nicht trauen konnte, wenn er behauptete, Stiere beschwören zu können.
»Da ist kein Rabe«, sagte er und sah Remigius fast noch mitleidiger als zuvor an.
Der Zauberer lächelte; eigentlich wirkte er, als sei er gut bei Verstand. »Oh doch, da ist einer. Es ist nur kein gewöhnlicher Rabe, sondern einer, den zu sehen eine gewisse Übung erfordert. Ein Rabengeist, wenn Ihr so wollt, einer, der ihr ins Ohr krächzt, auf dieses oder jenes gut zu achten, und der Wahrheit und Lüge unterscheiden kann … Vielleicht gar der Rabenkönig selbst.«
Ardeija hätte wohl darüber gelacht, hätten nicht die Krieger schon seit Tagen hinter vorgehaltener Hand über das geredet, was Malegis über Herrad und den Rabenkönig gesagt hatte. »Und Ihr seht ihn wirklich, diesen Raben?«
Remigius nickte. »Besser als sie vielleicht«, sagte er dann mit einem kleinen Auflachen. »Wahrscheinlich nennt Eure Richterin ihn nur ihre ›Eingebung‹ oder ihr ›gutes Gespür‹, aber er ist dort, so sicher wie der kleine Drache auf Eurer Schulter.«
Ardeija hob kurz die Hand, um Gjuki zu streicheln. »Dann habe ich ja Glück, dass bei mir kein Platz mehr für unsichtbare Raben ist, nicht wahr?«
Das Gesicht des Zauberers wurde ernst. »Scherzt nicht darüber, Hauptmann. Für das, was Euch nachfolgt, habe ich keinen Namen, aber es ist nichts, worüber man lachen sollte.«
Ardeija wusste erst nicht, wie ernst er diese Mahnung nehmen sollte, doch Remigius hatte wahrhaftig keinen Grund,
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