Tricontium (German Edition)
ist, ist es wohl selbst für eine übereifrige Königsbotin zu spät und Ihr könnt nach Hause gehen.«
»Wirst du auf der Burg nicht vielleicht einen Schreiber brauchen?«, fragte Wulfila.
Herrad zögerte nur unmerklich. »Vielleicht. Man kann nie wissen«, sagte sie dann.
Ardeija klopfte Rambert entschuldigend auf die Schulter und bat Maurus, sie sicher nach Hause zu bringen.
Zu dritt folgten sie dem Boten auf verschlungenen Wegen durch die dunkle Stadt, in der die Glocken langsam zu verstummen begannen.
»Es scheint, als ob die Dame nicht bester Laune ist«, erklärte Herrad flüsternd. »Kein Wunder! An ihrer Stelle wäre ich wohl auch sehr verärgert über die Entwicklungen hier.«
»Wisst Ihr, wer es ist?«
»Wenn Ebbos Läufer dort ihren Namen kennt, hat er wohl Weisung, ihn nicht zu nennen, aber wahrscheinlich weiß er wirklich nicht viel. Er sagte, sie sei in großer Heimlichkeit eingetroffen und habe die Glocken nicht zu ihrem Einzug, sondern erst nachträglich läuten lassen, als sie die Burg schon in der Hand hatte.«
»Das macht man in letzter Zeit hier wohl so«, scherzte Ardeija, ohne wirklich lachen zu wollen, und fragte sich, wann genau alles begonnen hatte, so entsetzlich aus dem Ruder zu laufen.
Die Burg war hell erleuchtet. Von Asgrims Leuten war nirgends etwas zu sehen, doch einige von Ebbos Männern standen untätig herum und musterten von weitem die viel zu zahlreichen fremden Krieger, die nicht allein das Tor, sondern auch alle wichtigen Durchgänge innerhalb des ehemaligen Amphitheaters zu bewachen schienen.
»Das sind nicht nur Wachen, das ist eine Streitmacht«, sagte Wulfila leise, als sie die Treppe zum Hauptturm hinaufstiegen.
»Jemand will wohl wirklich Ordnung schaffen«, erwiderte Herrad nicht viel lauter.
In dem Raum, der in der Vergangenheit häufig den Kriegern des jeweiligen Vogts zum Aufenthalt gedient hatte, waren all diejenigen versammelt, die in Aquae Calicis ein königliches Amt bekleideten, die Hafenzolleinnehmerin ebenso wie der Marktaufseher, die Münzmeisterin und Honorius, der wie Herrad noch Gerichtsroben trug. Der unglückliche Richter war auf einem Stuhl, den ein freundlicher Mensch für ihn aufgetrieben hatte, zusammengesunken und hustete in ein Taschentuch. Seine Schreiberin murmelte Gebete.
Oda, der es gar nicht zu gefallen schien, dass nun die Wachen der Königsbotin ihre eigenen Leute an allen wichtigen Stellen ersetzten, war ebenfalls dort und ging unruhig auf und ab, doch war von ihr immerhin zu erfahren, dass die missa regia das große Schlafzimmer, das gewöhnlich dem Vogt und seinen engsten Angehörigen zustand, für sich beansprucht hatte und nun dort, hübsch dem Rang nach geordnet, mit allen Amtsträgern einzeln sprechen wollte. Im Augenblick musste Ebbo bei ihr sein oder noch im Vorzimmer darauf warten, vorgelassen zu werden.
»Du wirst die Nächste sein, wenn sie uns tatsächlich alle hören will«, sagte die Hafenzolleinnehmerin düster zu Herrad und brachte es doch gleichzeitig fertig, Wulfila, der daran nicht viel Freude zu finden schien, mit schamloser Neugier zu beäugen. »Hochgericht geht vor Niedergericht und das Richteramt steht ohnehin über allen anderen außer dem des Vogts.«
»Mag sein«, sagte Herrad, die eigenartig unbesorgt wirkte, seit sie das Zimmer betreten hatten. Vielleicht hatte es sie beruhigt, dass die Frau, die die Wachen der Königsbotin befehligte und für fast alle anderen nur überhebliche oder gleichgültige Blicke übrig hatte, sie mit ausgesuchter Höflichkeit begrüßt hatte, auch wenn Ardeija nicht glaubte, dass das viel zu sagen hatte. Vermutlich sah der Rabe der Richterin das anders.
Die Stunden zogen sich zäh hin, bis ringsum immer weniger gesprochen wurde und Gjuki längst behaglich in Ardeijas Hemd eingeschlafen war.
Als dann endlich die mit Ranken und Vögeln bemalte Tür aufschwang und ein Diener verkündete, die Königsbotin wünsche nun, die Richterin des Hochgerichts zu sprechen, war Ardeija im Stillen überzeugt, dass er die Dame aus Padiacum, Rang hin oder her, würde angähnen müssen. Doch Frau Herrad, die in sich hineinlächelte, als sei alles ganz so, wie es sein sollte, konnte schlecht ohne Gefolge gehen, und so lief er brav neben Wulfila her, der selbst nicht mehr besonders munter wirkte.
Im Vorzimmer hielten sich fast noch mehr fremde Wachen auf als im Freien. Falls die missa regia vorhatte, alle Amtsträger von Aquae nicht nur einen nach dem anderen zu verhören, sondern auch
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