Tricontium (German Edition)
jahrelang gut geschulter Körperbeherrschung, dass Theodulf nicht stürzte, als Asgrim ihn nun zwischen den Kriegern hervor und näher an Justas Sitz zerrte.
»Hört mich an, Königsbotin. Ich habe diesen Mann in Gewahrsam genommen, weil er sich meiner Gerichtsbarkeit entzogen hat. Ich klage ihn an, verräterisch einen Gefangenen aus meinem Kerker befreit und so dem Angriff dieses Mannes auf mich Vorschub geleistet zu haben; ferner werfe ich ihm vor, die Entführung Ramberts – dieses Jungen dort – in die Wege geleitet zu haben. Das alles ist auf dem Brandhorst geschehen und es steht mir zu, darüber zu befinden.«
Getreu der Abmachung, die sie am Vorabend mit ihrem Hauptmann getroffen hatte, schwieg Herrad und Ardeija enttäuschte sie nicht.
»Hier gibt es keinen Jungen namens Rambert«, sagte er laut und vernehmlich, indem er seinen Mantel mit um Rambert legte und das Mädchen eng an sich zog. »Das hier ist meine Tochter Lucia. Es war rechtens, dass wir sie nach Aquae geholt haben.«
Einen Augenblick lang war es sehr still im Saal; dann begann Asgrim schallend zu lachen. »Ihr Barsakhanenbastard wollt dieses blonde Balg gezeugt haben?«, fragte er und fuhr, indem er Theodulf roh von sich stieß, fort: »Habt Ihr von ihm hier gelernt, Kinder anzuerkennen, wie es Euch gerade in den Sinn kommt? Das ist lachhaft, aber fast noch schlimmer ist es, dass Ihr einen Knaben für ein Mädchen ausgeben wollt! Oder kennt Ihr den Unterschied vielleicht nicht?«
Herrad hielt es nun doch für geraten, einzugreifen, bevor Waffen gezogen werden konnten. »Ich kann eines bezeugen: Bevor das Mädchen in Aquae war, verlieh Ardeija meinem nachmaligen Schreiber Wulfila und mir gegenüber seiner Besorgnis über den Verbleib seines Kindes Ausdruck.«
Das war immerhin nicht ganz gelogen, obwohl sie eine betrunken getätigte Äußerung aus dem Zusammenhang gerissen und sich überhaupt noch nie so nahe an einem Meineid bewegt hatte.
»Das kann ich bestätigen«, erklärte Wulfila hinter ihr.
Justas Augen blitzten; vermutlich konnte sie nur schwer ein Lachen unterdrücken. »Ob Junge oder Mädchen wird sich ja leicht feststellen lassen. – Kind, was behauptest du selbst zu sein?«
»Ich bin ein Mädchen«, sagte Rambert, noch immer eng an Ardeija geschmiegt, in einem Ton, der deutlich machte, dass sie jede gegenteilige Behauptung auch für beleidigend gehalten hätte.
Nun lachte Justa offen. »Gut. Dann komm mit dort hinüber und lass uns sehen, dass es sich in der Tat so verhält!« Sie winkte Herrad und Asri, ihr mit Rambert aus dem Raum zu folgen; eine Kriegerin aus Asgrims Gefolge und die Befehlshaberin von Justas Kriegern schlossen sich an.
Die Frage, die den Anlass für den Rückzug ins Nebenzimmer geliefert hatte, war erwartungsgemäß schnell geklärt, doch Justa hielt Herrad am Arm zurück, als sie eben in den Saal zurückkehren wollte. »Herrad, Mädchen, du wirkst ganz und gar nicht, als ob du die Lage im Griff hättest«, flüsterte sie, »aber ich habe mich nicht mehr so gut unterhalten, seit Aurelius vor zwei Jahren betrunken in die Pferdeschwemme gefallen ist. Mach nur noch eine Weile weiter!«
Das war alles andere als aufmunternd, aber zurück im Saal tröstete Herrad sich mit der Gewissheit, dass Asgrims Kriegerin ihrem Herrn bereits das Wichtigste mitgeteilt haben musste, denn der Fürst schenkte Rambert keine weitere Beachtung. Stattdessen wandte er sich Justa zu, sobald sie sich wieder niedergelassen und den Hund zurück auf ihren Schoß gehoben hatte. »Die eine Anklage mag auf einem Irrtum beruht haben, wenn dieses Kind tatsächlich Ardeijas Tochter ist, doch die andere bleibt bestehen.«
»Da sich die erste schon als haltlos herausgestellt hat, sollten wir die zweite besonders sorgfältig prüfen«, verlangte Herrad in dem Bestreben, Justas Vorwurf, sie habe die Dinge nicht im Griff, ebenso haltlos zu machen.
Doch der erste Erfolg hatte Ardeija wohl zu kühn gemacht; er mischte sich ungefragt ein. »Da gibt es nicht viel zu prüfen; es wird doch nur Wort gegen Wort stehen, ob es nun eine gerechtfertigte Befreiung oder ein verabscheuungswürdiger Verrat war. Ich schlage deshalb vor, die Sache in einem Gerichtskampf auszutragen. Ich trete für meinen Vater an; er kann ja nicht selbst kämpfen.«
Wulfila trat ebenfalls vor. »Fürst Asgrim bat mich neulich, ihn im Falle eines Gerichtskampfes zu vertreten, und da er verwundet ist, wird auch er nicht antreten können. – Fürst, ich stehe zur Verfügung
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