Tricontium (German Edition)
Bezahlung für die zerstörte Tür aushandelte, die wahrscheinlich selbst in ihren besten Tagen nur halb soviel wert gewesen war.
Auf dem Heimweg sprach sie kein Wort, bis sie auf Höhe der Bischofskirche waren. »Das ist der zweite Sonntag in Folge, an dem ich den Gottesdienst versäume«, sagte sie dann zu niemandem im Besonderen, »und das für einen Mann, den ich eigentlich noch nie ausstehen konnte und der jetzt zudem dafür gesorgt hat, dass ich mich vor Justa lächerlich gemacht habe!«
Ardeijas verlegenes Gemurmel wischte sie mit einer ärgerlichen Geste und der eher ihrem Gerechtigkeitssinn als ihrem augenblicklichen Empfinden entspringenden Bemerkung, er sei ja nicht schuld, beiseite.
Zu Hause angekommen entfernte sie mit eisiger Miene den lästigen Silberschmuck aus ihrem Haar und vertauschte das kostbare Gewand mit einer bequemen Tunika; dann warf sie sich in ihre blaue Decke gewickelt in den Sessel vor dem Feuer im Schlafzimmer und wies Freda an, alle Leute, die nicht ins Haus gehörten, ebenso freundlich wie bestimmt vor die Tür zu setzen. Irgendwie kam dabei auch Wulfila abhanden, aber dass er sich jetzt verpflichtet fühlen würde, Ardeija gut zuzureden, war zu erwarten gewesen.
Dass dafür Wulfin im Haus geblieben war, bemerkte Herrad erst, als er leise auf der Türschwelle erschien und einen vorsichtigen Blick ins Zimmer warf.
»Ich habe mein Pferd hier vergessen«, erklärte er ungefragt. »Darf ich es holen, auch wenn Ihr böse seid?«
»Nicht auf dich; komm her.«
Wulfin kam herein, nahm sein Pferdchen von der Fensterbank und setzte sich dann auf Herrads aufforderndes Nicken hin zutraulich auf das Schaffell zu ihren Füßen.
»Rambert hat geweint«, sagte er.
Herrad grub sich tiefer in ihre Decke ein und sagte sich, dass nicht sie, sondern Theodulf von Ramberts Kummer hätte hören und ein sehr schlechtes Gewissen hätte haben sollen. »Das ist verständlich. Ich hoffe, sie erholt sich über kurz oder lang von dem, was wir heute erlebt haben.«
Wulfin nickte, doch seine Gedanken schienen schon weitergewandert zu sein; er sah Herrad unverwandt an. »Wie ist das, Frau Herrad? Bringen sie sie doch noch zurück auf den Brandhorst, wenn sie herausfinden, dass Herr Ardeija gelogen hat?«
»Er hat nicht gelogen«, sagte Herrad mit einem kleinen Auflachen.
Wulfin zog die Stirn kraus. »Aber Rambert ist doch gar nicht seine Tochter?«
Herrad lächelte leicht. »Sag lieber, dass sie es nicht immer war. Heute ist sie es geworden. Ich habe zwar häufig das Gefühl, dass Ardeija mir nicht zuhört, wenn ich ihm etwas aus den Leges zu erklären versuche, aber manches bekommt er wohl doch mit. Das, was er dort vor Justa getan hat, war eine rechtskräftige Handlung, um ein Kind anzunehmen. In alten Zeiten, als man Verträge noch nicht aufschrieb, war es wichtig, Dinge auf eine bestimmte Weise zu tun, damit tatsächlich alle bezeugen konnten, dass es so und nicht anders geschehen war. Vieles aus jenen Tagen hat seine Gültigkeit bewahrt. De jure ist Rambert also in dem Augenblick, in dem Ardeija sie unter seinen Mantel genommen und seine Tochter genannt hat, seine Tochter geworden, da es wohl weder eine Mutter noch einen anderen Mann, der die Vaterschaft beanspruchen wollte, gibt und die Großmutter anscheinend froh ist, sich nicht um ihre Enkelin kümmern zu müssen.«
»Dann kann Asgrim Rambert also nicht mehr zurückholen?«
»Nein. Jedenfalls darf er es nicht.«
Das schien Wulfin zu beruhigen; er saß still da und ließ sein Pferdchen auf dem Schaffell weiden.
Herrad sah ihm eine Weile stumm zu. »Meine Mutter hatte ein schönes Pferd«, sagte sie dann, »einen braunen Wallach namens Faustulus. Ich habe ihn als Kind noch kennengelernt, aber einige Jahre vor meiner Geburt, zur Zeit des Barsakhanensturms, war er dabei, als sie gegen Tengri Khatun gekämpft hat. Sie erfuhr in Mons Arbuini, wo sie Wegzolleinnehmerin war, erst sehr spät vom Herannahen der Barsakhanen, und als sie mit ihren Leuten nach Aquae fliehen wollte, waren die Straßen schon nicht mehr sicher. Als sie dort, wo heute das große Gasthaus an der Strecke liegt, einen Hof frisch geplündert vorfanden, schlug einer ihrer Krieger vor, nicht auf der Straße zu bleiben, sondern einen Umweg nach Westen zu machen, durch den alten Hutewald des Bischofsguts. Das war ein Fehler, denn dort im Wald waren ebenfalls schon Barsakhanen, mindestens drei Dutzend an der Zahl unter einer Frau, die auf einem fuchsroten Pferd saß und zwölf
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