Tricontium (German Edition)
nicht unterstellen, dass Ihr etwas verschweigt – doch jeder kann einmal etwas vergessen, nicht wahr? Und Euer Gedächtnis versagt gelegentlich zu ungünstiger Zeit, die Angelegenheit mit Otachars zweiter Hochzeitsnacht seinerzeit ist doch das beste Beispiel dafür … Nicht, dass Frau Herrad oder mir daran gelegen wäre, eine große Sache daraus zu machen, doch wenn Ihr Euch damals nicht an das Wichtigste erinnert habt, könnte es Euch heute doch auch so ergangen sein.«
Der Richterin war nichts von irgendeiner Begebenheit bekannt, die mit einer Hochzeitsnacht des Markgrafen zu tun gehabt hätte, und hätte sie nicht befürchtet, dadurch ihren Stand gegenüber diesem verwahrlosten Hexer zu schwächen, hätte sie Wulf nun zur Rede gestellt, um zu erfahren, ob er den Mann etwa mit der Versicherung, ein wirkliches Verbrechen nicht weiter zu verfolgen, zum Geständnis eines minder schweren Vergehens bewegen wollte.
Malegis hingegen schien sehr genau zu wissen, worum es ging, doch hatte er das Erschrecken, das er nur schwer hatte verbergen können, äußerlich rasch überwunden. »Das war damals«, sagte er knapp. »Und die Sache wäre ohnehin verjährt, selbst wenn Otachar noch unter uns weilte, um Klage zu führen. Ich habe die Fragen, um die es heute geht, wahrheitsgemäß beantwortet.«
Wulf machte ein enttäuschtes Gesicht. »So kann man sich irren.«
Wenn diese gescheiterte kleine Erpressung sein »unfehlbares Mittel« gewesen war, hatte er sich tatsächlich in Malegis getäuscht, und der Zauberer wirkte dementsprechend selbstzufrieden, als sei er überzeugter denn je, dass man ihm nichts würde anhaben können.
»Ich hätte keinen Grund, Euch zu belügen, Frau Herrad«, versicherte er, indem er sich entschloss, den armen Toren, der geglaubt hatte, ihm so leicht beikommen zu können, mit Nichtbeachtung zu strafen. »Ihr wisst, dass ich damals jenen unglücklichen Kunstfehler bei der Herstellung der Liebestränke unverzüglich zugegeben habe. Weshalb sollte ich es heute anders halten?«
»Ich glaube Euch nicht«, beharrte Wulf fast verzweifelt, nahm er doch wahrscheinlich an, dass mit seiner Niederlage gegen den Zauberer jede Hoffnung, sich die Dankbarkeit der Richterin zu erwerben, verloren sei. »Kein Wort.«
Malegis lächelte gönnerhaft. »Was Ihr glaubt oder nicht glaubt, kann Euch niemand vorschreiben, guter Mann, und wenn Ihr an meiner Ehrlichkeit grundlos zweifeln wollt, sei Euch das Vergnügen gegönnt. – Ich hoffe jedoch, dass Ihr, Frau Herrad, Euch diesen wilden Verdächtigungen nicht anschließen werdet. Ich bin bereit, meine Worte auch unter Eid zu wiederholen und zu beschwören, dass ich nichts ausgelassen habe.«
Vor langen Jahren, als sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte Herrad in Aquae Calicis zwei Gaukler einen Schaukampf mit Schwertern aufführen sehen. Der eine der beiden hatte, durchaus absichtlich, zu einem gewissen Zeitpunkt seine Waffe verloren und mit flatternden bunten Gewändern einen komischen Tanz aufgeführt, um den Hieben seines Gegners zu entgehen, nur, um schließlich, als er sich in scheinbar hoffnungsloser Lage an die Wand gedrängt gefunden hatte, aus einem rotgelben Ärmel ein Messerchen hervorschnellen zu lassen, das er dem anderen rasch an die Kehle gesetzt hatte, wie es von Anfang an geplant gewesen war.
Wulf zog kein Messer, sondern ein Bronzeamulett hervor. »Gut. Schwört es uns hierauf«, sagte er, ohne die Stimme zu heben, »schwört, dass Ihr die volle Wahrheit gesagt und nichts ausgelassen habt.«
Malegis fuhr zurück, als hielte ihm jemand eine giftige Schlange und nicht einen ganz ungefährlichen Anhänger an einem Lederband vors Gesicht. »Woher habt Ihr das?«
»Schwört es uns.« Wulf griff ohne weitere Umstände zu und zwang die kleine Bronzescheibe in die Hand, die der Zauberer ihm ohne Erfolg zu entziehen trachtete. »Habt Ihr die Wahrheit gesagt und nichts ausgelassen?«
Kurz schien Malegis noch mit sich zu ringen; dann sprach er, erst stockend, doch bald hastiger, als wolle er die Sache rasch hinter sich bringen. »Ich habe Euch nicht ganz belogen. Die wenigen Leute, die noch in der Gegend leben, berichten tatsächlich, dass sich hier häufig arges Gesindel aufhält, wohl meist Räuber von jenseits der Grenze, die gut genug wissen, dass niemand sie nach Austrasien hinein verfolgen wird. Doch der Letzte, der das erwähnte, war Herr Honorius selbst, den ich traf, als ich vom Brandhorst zurückkehrte. Er bat mich, etwas zu unternehmen, und
Weitere Kostenlose Bücher