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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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waren. Die frischen Verletzungen konnten nicht die Spuren kaum verheilter älterer verdecken, die weitaus schlimmer gewesen waren als die neuen. Dem, der sie Wulfila beigebracht hatte, konnte es nicht nur darum gegangen sein, einem kleinen Dieb einen Denkzettel zu verpassen; wenn doch, dann war er damit gründlich über das Ziel hinausgeschossen.
    Herrad zögerte, eine Bemerkung darüber zu machen, entschied sich zunächst dagegen, während sie einen Finger in die Salbe tunkte, und beschloss, als sie die zu warme Haut berührte, dann doch, dass etwas Freundlichkeit nicht würde schaden können. »Ihr müsst in den letzten Wochen einiges erlebt haben.«
    Vielleicht bewirkte der Umstand, dass sie einander nicht ansehen mussten, dass Wulfila sich auf das Gespräch einließ. »Das könnt Ihr laut sagen. Aber Ihr seid ja nicht schuld an den Taten und Untaten Eures Schreibers.«
    Herrad hätte das Gefäß beinahe fallen lassen. »Was hat Oshelm damit zu tun?«
    »Nicht Oshelm.« Wulfila schüttelte unwillig den Kopf. »Der andere.«
    Herrad beförderte mit Nachdruck eine Haarsträhne, die ihr durch Wulfilas Bewegung in den Weg geraten war, zurück nach vorn über seine Schulter. »Guntram? Der ist nicht mehr mein Schreiber. Er wollte nicht mit nach Tricontium, was ich ihm nicht verdenken kann. Was also hat er angerichtet?«
    »Wenn er nicht in Corvisium von meinem Brandmal erzählt hätte, wäre vieles anders gekommen. Doch sprechen wir nicht davon.« Mit Letzterem schien es ihm sehr ernst zu sein, und Herrad drängte ihn nicht weiter.
     »Ihr müsst nicht reiten, wenn Ihr nicht wollt«, sagte sie stattdessen. »Ich bekomme Maurus schon noch aufs Pferd.«
     »Ich will aber; es wird sich gut anfühlen. – Eure Hände sind schön kühl.«
    Herrad wäre über die unerwartet vertrauliche Bemerkung gern verärgerter gewesen, als sie es war, doch anscheinend hatte sie all ihre bösen Gedanken heute schon für andere Leute und Zusammenhänge aufgebraucht.
    »Es ist ja beruhigend, wenn wenigstens einem hier damit gedient ist, dass ich friere«, erwiderte sie folglich mit einem halben Lächeln. »Doch nun hört zu. Ihr wisst wahrscheinlich besser als ich, was Ihr zu tun habt, aber nehmt einen guten Rat an und seid äußerst vorsichtig. Ich habe einen bösen Verdacht … So sitzt doch still!« Verspätet fiel ihr ein, dass Wulfilas unwillkürliche Bewegung nicht auf das, was sie gesagt hatte, zurückzuführen sein musste. »Habe ich Euch eben wehgetan?«
    »Nein.« Wulfila log schlecht. »Was befürchtet Ihr nun?«
    »Ich habe Angst, dass Ihr dort oben nicht auf einen Richter auf Abwegen oder bloße Räuber stoßen werdet, sondern auf Leute vom Brandhorst.« Herrad trug behutsam noch etwas Salbe auf. »Auf dem Weg hierher ist uns Theodulf begegnet. Zwar nehme ich mittlerweile an, dass er nur so spät noch unterwegs war, um Malegis auf den Brandhorst zu holen, aber er hat eine halbe Warnung ausgesprochen, ganz so, als wüsste er mehr als wir über das, was in dieser Gegend vorgeht. Nachdem Asgrim sich nun schon an meinem Hauptmann vergriffen hat, sollte es mich nicht wundern, wenn seine Leute auch Wigbold in ihre Gewalt gebracht hätten. – So.«
    In Ermangelung eines Tuchs hätte sie sich beinahe die Hände an Wulfilas Hemd abgewischt, das aussah, als könne es ohnehin nur noch zu solchen Zwecken taugen. Sie hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück und rieb die überschüssigen Salbenreste mit Bedauern in ihren eigenen Kaftan, dem ein paar weitere Flecken kaum noch etwas anhaben konnten.
    Wulfila streifte ungelenk seine Kleider wieder über. »Aber was hätte Asgrim davon, seine Leute in die Tricontinische Mark zu schicken und sich hier mit Euch anzulegen?«
    Herrad hatte den Salbentopf wieder verschlossen. »Das weiß ich beim besten Willen nicht. Vielleicht irre ich mich auch, aber nehmt Euch in jedem Fall in Acht und kommt heil wieder.«
    Wäre Wulfila vernünftig gewesen, hätte er sich nun höflich verabschiedet und wäre unverzüglich aufgebrochen, doch das tat er nicht; vielmehr stand er unschlüssig da und sah Herrad an, als wolle er etwas sagen, ohne es recht über die Lippen zu bringen.
    »Vielen Dank«, begann er am Ende, ohne dass ersichtlich gewesen wäre, ob er die Salbe, die guten Wünsche oder beides meinte. »Und ich werde aufpassen. Aber passt Ihr hier auch gut auf Euch auf. – Ihr seid ein guter Mensch, Frau Herrad.« Damit deutete er eine Verneigung an, was ihm schwer genug fallen musste, und ging, vorbei

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