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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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an dem Karren und der Feuerstelle, durch die Mauerlücke, durch die man in die Wiesen hinaus gelangte, und fort.
    Erst als er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, wurde der Richterin bewusst, dass sie ihm nachgesehen hatte. Das aber war nur ein mildes Kopfschütteln wert; weit schlimmer war, dass sie sich elend fühlte, weil ein Mann, den sie verurteilt und für alle Zeiten als Dieb kenntlich gemacht hatte, ihr um ihrer Beinwellsalbe und ihrer kühlen Hände willen gesagt hatte, sie sei ein guter Mensch.

8. Kapitel: Vater und Sohn
    Vor langen Jahren, bevor die Welt in Unordnung geraten war, hatte unter der tausendjährigen Eiche vor dem Westtor von Aquae Calicis ein König auf jenen Steinen gesessen, die der erste römische Statthalter dort zu einem Sitz hatte aufschichten lassen, Gudhelm von Sala an seiner rechten und Asgrim vom Brandhorst an seiner linken Seite. Weitere Fürsten, Markgrafen, Grafen und Vögte mitsamt ihrem Gefolge hatten ringsum gestanden, etwas weiter entfernt die unbedeutenderen Herren. Näher beim Tor und an der Mauer entlang hatten sich die Leute von Aquae Calicis gedrängt, damals noch unbekannte Gesichter. Irgendwo musste auch die damals jüngst eingesetzte Richterin des Niedergerichts gestanden haben, vermutlich mit einer halben Pastete aus der Garküche bei der Quellgrotte bewaffnet und geduldig damit befasst, dem Geplauder ihrer Freundin Prisca zu lauschen.
    Auf der Freifläche zwischen der Stadtmauer und der Straße nach Salvinae hatten Schwertkämpfe stattgefunden, und als die heuschwere Luft des Sommernachmittags schon das nahende abendliche Gewitter hatte erahnen lassen, hatten sich dort die beiden Männer, die aus allen vorherigen Begegnungen siegreich hervorgegangen waren, zum letzten Wettstreit des Tages gegenübergestanden, Gudhelms Schwertmeister und der Asgrims. Beide hatten sie Angst gehabt, nicht voreinander, doch davor, vor den Augen des Königs und der ganzen Welt einen Kampf und einen Ruf zu verlieren.
    Heute war ein anderer Mann König, es war ein kalter Herbsttag und statt unter einem weiten Himmel vor Hunderten von Menschen zu fechten, waren sie zwischen engen Kerkermauern allein. Dennoch stand Theodulf da wie damals, angespannt, als sei er bereit, jederzeit plötzlich vorzuschnellen oder einen rasch geführten Hieb abzuwehren, obgleich doch das, was er zu sagen hatte, friedfertig hätte klingen können: »Ich will Euch helfen.«
    Ardeija hatte durchaus damit gerechnet, Asgrims Schwertmeister im Laufe des Tages noch einmal zu sehen, und er hatte keinen Grund, Theodulf für einen Mann überflüssiger Worte zu halten. Dennoch überraschte es ihn, dass die Ankündigung, die er fast erwartet hatte, ohne sie auch nur im Mindesten für glaubwürdig zu halten, derart plump und ohne Umschweife vorgetragen wurde.
    »So?«, erwiderte er und bemühte sich gar nicht erst, seine Zweifel zu verbergen. »Und wie kommt Ihr dazu?«
    Nachher wusste er nicht mehr, was für eine Antwort auf seine Frage er sich ausgemalt hatte, ein Schulterzucken vielleicht oder eine gewundene Erklärung, gewiss aber nicht den knappen Satz, den er nun zu hören bekam.
    »Ihr seid mein Sohn«, sagte Theodulf nämlich, ohne dass auch nur die geringste Gefühlsregung in seinen Augen zu erkennen gewesen wäre.
    Gerade diese eisige Überzeugung aber war es, die Ardeija davon abhielt, in der Eröffnung des Schwertmeisters nur einen bösartigen Scherz zu sehen. »Ihr irrt Euch, oder Ihr lügt.«
    »Nein. Asri hat Euch belogen, wenn Ihr nichts davon wisst.«
    Er hatte »Asri« gesagt, nicht »Eure Mutter«, »Baras Tochter« oder »Valerians Witwe«, ganz so, als sei der Name diejenige Bezeichnung, die für ihn mit der Frau, von der er sprach, verknüpft war – als sei sie selbst ihm bekannt und vertraut. Diese Beobachtung beruhigte Ardeija nicht gerade und er hätte sich nicht gewundert, wenn nun Verzweiflung oder nacktes Entsetzen in ihm aufgestiegen wären, doch nichts dergleichen geschah. Der Gedanke, dass Theodulf in der Tat sein Vater sein könnte, war einfach zu befremdlich, als dass er ihn in vollem Ernst hätte denken können.
    »Ich habe anscheinend Eltern, die es gut mit mir meinen«, sagte er mit einem kleinen Auflachen, »vielleicht hat meine Mutter ihren Sohn belogen, was schlimm genug wäre. Ihr dagegen habt den, den Ihr Euren Sohn nennt, verwundet, fast zu Tode gehetzt und dann gefangen vor Euren Herrn geschleppt.«
    Wenn Theodulf angesichts des Vorwurfs Reue oder auch nur Ärger verspürte, ließ

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