Tricontium (German Edition)
mich hören.«
Doch zum ersten Mal lag etwas wie Unsicherheit, gar Verlegenheit, in seinem Gebaren, und Ardeija beschloss, nachzusetzen.
»Weshalb Aquae?«, beharrte er und hob die Stimme, nicht sehr, doch hoffentlich genug, um in Theodulf die Befürchtung zu wecken, dass er laut werden und sie verraten würde. »Wenn Ihr mich wirklich befreien wollt, dann lasst mir die Wahl, wohin ich mich wende.«
Schon an der Tür angekommen sah der Schwertmeister sich endlich noch einmal um. »Ich lasse Euch keinen Schritt weit gehen, wenn Ihr nach Tricontium wollt«, sagte er. »Es sind Barsakhanen dort. Wenn Frau Herrad klug ist, hat sie die Beine bereits in die Hand genommen – wenn nicht, dann sei Gott ihr gnädig.«
Falls er in der Berechnung gesprochen hatte, dass diese Neuigkeit Ardeija lange genug der Sprache berauben würde, um seinem angehenden Befreier einen ungestörten Rückzug zu ermöglichen, so hatte er sich nicht getäuscht.
Ardeija brachte kein Wort hervor, bis sich die Tür wieder geschlossen hatte, und es wurde ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
Theodulfs Vermutung hinsichtlich gewisser Verwandtschaftsverhältnisse schob er fürs Erste beiseite; es war schlimm genug, befürchten zu müssen, dass alle Menschen, auf deren Hilfe er gehofft hatte, nun wohl in größerer Gefahr schwebten als er selbst. Mit einer plündernden Barsakhanenhorde war nicht zu spaßen. Vielleicht hatte ihn sein unfreiwilliger Aufenthalt auf dem Brandhorst gar vor weit schlimmerer Gefangenschaft oder vor dem Tode bewahrt.
Zu diesem Schluss war er eben gelangt, als eine leise, von wohlbekannter Stimme ausgesprochene Bitte ihn herumfahren ließ: »Grübelt nicht zu sehr, Schwertmeister.«
Es war ein Segen, dass Wulfilas Erzählung über die Begegnung im Bauerngarten Ardeija in Ansätzen auf das, was nun geschah, vorbereitet hatte, denn dann und wann eine schemenhafte Gestalt zwischen den Römergräbern erspäht zu haben war eines, Gudhelm von Sala geradewegs durch die Wand unter dem Fenster eintreten zu sehen jedoch etwas ganz anderes, das einen durchaus lehren konnte, viel Verständnis für die wilde Flucht mit dem Kürbis aufzubringen.
Grau war Gudhelm geworden, grau und bleich, mit nebelübergossenem Haar und verhangenen Augen; selbst der Purpurmantel, den er trug, wirkte wie mit feinen Spinnweben überzogen. Seine Züge und seine Haltung aber hatten sich nicht geändert, und Ardeija gaffte seinen Fürsten an, als hätte er sich in ein fremdländisches Tier verwandelt, bevor er sich seiner Unhöflichkeit bewusst wurde und rasch vor der Erscheinung das Knie beugte.
Geist oder nicht, Gudhelm schien in der Tat noch immer Gudhelm zu sein; er warf den Kopf zurück und lachte. »Erhebt Euch nur rasch. Ihr habt dem Lebenden wie dem Toten zu gebührender Zeit alle Ehrerbietung erwiesen. Nun schuldet Ihr mir keine mehr, aber es freut mich, dass Ihr mir eher achtungsvoll als zitternd vor Furcht entgegentretet.«
Ardeija kam, noch immer etwas mühsam, wieder auf die Füße. »Ich hoffe, keinen Grund zu haben, Euch zu fürchten, mein Fürst«, erwiderte er, obgleich ihm in Wahrheit diese Unterhaltung mit einem toten Mann unheimlicher war, als er sich selbst eingestehen wollte.
Wieder lachte Gudhelm und erst jetzt fiel Ardeija auf, wie hohl und schaurig der Laut in dem Gewölbe widerhallte. »Das wird sich finden. Ich will Euch nichts tun, doch habe ich eine Bitte an Euch … Erinnert mich nachher, bevor ich gehe, daran. Es wird Euch wichtiger sein, erst zu hören, wie es Eurem Boten ergangen ist.«
»Ihr wisst, wie es um Wulfila steht, und seinen Sohn, und Gjuki?« Ardeija konnte seine Aufregung kaum verbergen.
»Gewiss; ich habe Euren kleinen Dieb gut im Auge behalten.« Gudhelm machte sich einen Spaß daraus, durch den Wasserkrug zu spazieren, und Ardeija fragte sich mit einigem Unbehagen, ob das fürstliche Gespenst wohl auch durch lebende Wesen wie durch Luft hindurchschreiten konnte. »Immerhin habe ich ihn zu Euch geschickt, oder ihn vielmehr Asgrims Leuten in die Arme gejagt, so dass Ihr hier einen Boten haben würdet. Und er ist gut bei Eurer Herrin angekommen. Sie hat Oshelm Kra hierher gesandt, um Euch freizubitten.«
Ardeija hätte über die Nachricht erleichtert sein sollen, doch es war im Verlauf des Tages wahrhaftig zu viel Unangenehmes auf ihn eingestürzt, als dass er an dem, was Gudhelm ihm eben erzählt hatte, nicht gleich die weniger erfreulichen Seiten bemerkt hätte. »Ihr wolltet , dass man Wulfila
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