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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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hätte gern gewusst, woher sein ehemaliger Herr dieses Zutrauen in die Überlebenskünste eines hageren Gerichtsschreibers mit tintenfleckigen Fingern nahm, der vermutlich gerade noch wusste, an welchem Ende man ein Schwert festhielt, mehr aber auch nicht. Doch Gudhelm ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen, sondern fuhr fort: »Auch wenn Oshelm wohl bei Euch sein wird, solltet Ihr auf Theodulf hören und den Weg nach Aquae Calicis nehmen. In der Tricontinischen Mark könnt Ihr nichts ausrichten. Frau Herrad wird selbst wissen, was sie zu tun hat. Wenn Ihr aber in Aquae gut angekommen seid und Euch etwas erholt habt, könntet Ihr mir den Gefallen tun, einen Ausflug nach Mons Arbuini zu unternehmen.«
    Dies war nicht die Bitte, die Ardeija erwartet hatte, und sie war erstaunlich genug, ihn vorerst all seine Einwände dagegen hintanstellen zu lassen, dass man von ihm verlangte, sich ohne einen Gedanken an andere in Sicherheit zu bringen. »Mons Arbuini?«, wiederholte er. »Dort sind nur die Steinbrüche und der Zollturm. Was soll ich also dort?«
    Gudhelm raffte seinen Mantel zusammen, der folgenlos, aber lächerlich anzusehen noch immer halb im Wasserkrug hing. »Der Mann, dessen Speer mich bei Bocernae traf, ist dort.«
    »Gefangen?«
    »Ja.«
    Halb unwillkürlich schüttelte Ardeija den Kopf. Die Steinbrüche an dem Höhenrücken, der nach einem der vielen Fürsten und Kleinkönige benannt war, die einst die Reste des römischen Reichs zu Fall gebracht hatten, waren kein schöner Ort. Die meisten Leute, die dort die rötlichen Sandsteinblöcke aus dem Fels schlugen, waren zur Strafe für irgendein Verbrechen dazu verurteilt worden; die wenigen, die sich mehr oder minder freiwillig dort aufhielten, waren dem Vogt von Aquae, dem die Einkünfte aus Mons Arbuini zustanden, zu Dienst verpflichtet. Frau Herrad, die hart sein konnte, wenn es geboten war, sandte keinen Verurteilten leichtfertig dorthin. »Mein Fürst, wenn der Kerl in Mons Arbuini ist, dann wird es ihm elend genug gehen. Ich kann verstehen, dass Ihr … erzürnt seid über das, was seinerzeit in der Schlacht geschehen ist, doch ich werde mich nicht zum Werkzeug Eurer Rache machen. Lasst es gut sein.«
    Eine geisterhafte Hand legte sich ohne Gewicht und ohne die Wärme, die von lebendigem Fleisch ausgegangen wäre, auf Ardeijas Schulter. »Ihr seid ein ehrenhafter Mann, Schwertmeister – doch Ihr denkt zu schlecht von mir.«
    »Nun«, sagte Ardeija verlegen, »es hätte ja sein können. Ich weiß nicht, was ich gern mit jemandem tun würde, der mich umgebracht hätte.«
    »Oh, erst habe ich auch triumphiert, als er nach Mons Arbuini geriet«, bekannte Gudhelm, indem er den Kopf senkte. »Ich dachte, es würde vergnüglich sein, von einem behaglichen Winkel in den Felswänden aus zuzusehen, wie er sich quälte. Doch es war nicht so schön, wie ich es mir gedacht hatte. Es ist stets erhebender, sich böse Dinge auszumalen, als sie in die Tat umzusetzen.«
    »Dem ist wohl so«, stimmte Ardeija zu.
    Das Gespenst nickte. »Ja; dem ist so, und ich verspürte nach einer Weile der Unschlüssigkeit auch eher Mitleid als Befriedigung, zumal der Mann es sehr bedauert, gerade mich ums Leben gebracht zu haben. Aufrichtige Reue schmerzt mehr als alles Übrige. Deshalb müsst Ihr mein Bote sein. Geht zu ihm und sagt, dass Gudhelm von Sala ihm vergibt. Vielleicht wird das genügen; vielleicht auch nicht. Mehr kann ich jedenfalls nicht unternehmen.«
    Der Gedanke, nach Mons Arbuini reiten und irgendeinem armen Menschen, der ihn wahrscheinlich nur verständnislos ansehen würde, die Botschaft eines Toten übermitteln zu müssen, gefiel Ardeija ganz und gar nicht, doch Fürst Gudhelm wünschte es und meinte es gut; wie konnte man da widersprechen? »Ich werde ihm ausrichten, was Ihr gesagt habt. Doch wer ist es, an den ich die Nachricht überbringen muss? Ich habe nie gewusst, wer … wer es getan hat, damals.«
    Gudhelm lächelte leicht. »Man kennt ihn dort unter dem Namen Aquila.«
    Ardeija kannte diesen Tonfall seines früheren Herrn. »Wie heißt er wirklich?«
    »Das müsst und wollt Ihr nicht wissen, bevor Ihr dort gewesen seid.« Es schien, als sei das Gespenst mit einem Schlag ein wenig verblasst, und Ardeija war sich nicht mehr sicher, ob der Fürst ihm die ganze Wahrheit über die Grade seiner Sichtbarkeit gesagt hatte. Es mochte durchaus sein, dass er daran auch willentlich etwas ändern konnte. »Ich danke Euch aber, dass Ihr mir helfen wollt. Kommt, wenn Ihr

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