Tricontium (German Edition)
hatte, beinahe einzuschlafen.
Nun bereute sie es, verkündet zu haben, sie stehe gewohnheitsgemäß früh auf. Vielleicht wäre es nach den Anstrengungen der vergangenen Tage doch erfreulicher gewesen, die ersten Morgenstunden im Bett zu verbringen, statt mit einem möglichen neuen Koch zu verhandeln, der vermutlich gar nicht kochen konnte.
Doch nun standen alle drei, dem Alter nach aufgereiht, kurz nach Sonnenaufgang vor ihrer Tür, so bemüht, den zweifelhaften ersten Eindruck, den Herrad gewonnen haben musste, durch einen guten zweiten zu ersetzen, dass sie ein Lächeln verbergen musste.
Offensichtlich war sie nicht die Einzige gewesen, die noch spät am vergangenen Tag ein Badehaus aufgesucht hatte, und wenngleich das Ergebnis der Versuche, auch Kleidung und Stiefel in vorzeigbaren Zustand zu versetzen, eher rührend als befriedigend ausgefallen war, waren diese Versuche doch immerhin unternommen worden. Das Haar der beiden älteren Wölfe war so sorgfältig wie für einen Feiertag geflochten, und sogar Wulfins widerspenstige Locken wurden halbwegs ordentlich von einem Band zurückgehalten.
»Nun, haben wir das gut gemacht?«, schienen fünf Augen zugleich zu fragen, und wenngleich Herrad sich sagte, dass in zwei von drei Köpfen einige Berechnung hinter all diesem Aufwand gesteckt haben musste, bejahte sie die stumme Frage im Geiste mit einem Schmunzeln. »Kommt herein.«
Das vordere Zimmer war noch ebenso wenig wieder eingeräumt wie die beiden übrigen Räume des Hauses, aber hier sah es noch schlimmer aus als in ihrem Schlafzimmer oder in der Küche, stapelte sich doch hier vorn das Gepäck, das Ardeija und Oshelm gehörte.
Die mit zähnefletschenden Steppendämonen bemalte Reisetruhe des Hauptmanns erinnerte Herrad zu allem Übel auch noch daran, dass sie Wichtigeres zu tun gehabt hätte, als einen neuen Koch einzustellen, doch sie konnte die Leute, auf deren Hilfe sie zurückzugreifen gedachte, um einerseits das Ärgernis mit Asgrim aus der Welt zu schaffen und andererseits ihre eigene unbefriedigende Lage zum Besseren zu wenden, nicht zu so früher Stunde stören. Überdies sprach auch etwas dafür, nicht noch einen halben Tag damit zu warten, Wulf und seiner Familie zu einer sinnvollen Beschäftigung zu verhelfen. Vielleicht würden einige Hühner ungestohlen bleiben.
»Setzt Euch.« Sie hatte angenommen, dass Wulfin mit einer der Truhen oder dem Boden würde vorlieb nehmen müssen, doch entgegen jeder vernünftigen Einschätzung fanden die Besucher allesamt auf dem gemauerten Sitz in der Fensternische neben der Eingangstür Platz, nachdem Herrad sich ihrerseits auf der gegenüberliegenden Bank niedergelassen hatte.
Nun sahen die drei sie so erwartungsvoll an, als hätte sie ein Königreich zu vergeben und nicht nur die mager bezahlte Herrschaft über ihre Töpfe und Pfannen. Herrad dagegen machte sich keine übergroßen Hoffnungen, sondern fragte sich, ob ihre Entscheidung, ein Gespräch über Wulfilas abwegigen Vorschlag anzubieten, richtig gewesen war, nicht allein, weil sie sich selbst nach allem, was sie in Tricontium miteinander erlebt hatten, in diesen Fisch- und Kürbisdieben täuschen mochte, sondern vor allem auch aus dem Grunde, dass sie fürchtete, zum Lohn für ihren einen Augenblick der Gutherzigkeit einen ganzen Winter lang von angebrannter Kohlsuppe leben zu müssen.
»Euer Sohn sagt, Ihr könntet kochen«, begann sie schließlich an Wulf gewandt, »und er behauptet sogar, Ihr wäret unbesehen besser als meine letzte Köchin, die weiß Gott nicht übel war.«
Ihre Zweifel schienen Wulf nicht zu erschrecken. »Möchtet Ihr mein Können auf die Probe stellen?«
»Noch nicht.« Das ließ ihn verunsichert dreinsehen, und Herrad lächelte. »Zunächst einmal möchte ich wissen, wie Ihr es erworben habt. Ihr seid Krieger gewesen, ein Hauptmann von Bernwards Leuten, und außerdem seid Ihr, wie man mir sagt, ein litteratus , was ich gern glaube. Weshalb also versteht Ihr Euch gut genug aufs Kochen, um Eure Dienste verkaufen zu können? Das ist ungewöhnlich. Ist es nur eine zufällige Begabung?«
»Nein.« Wulfs Blick war forschend geworden, als vermute er, dass Herrad schon mehr über ihn wusste, als sie hätte wissen sollen, und warum hätte man ihm diesen Glauben übereilt nehmen sollen? »Aber die Sache bleibt unter uns, ja?«
Als Herrad ihre Zustimmung durch ein Nicken zu erkennen gab, fuhr er fort: »Mein Vater war der Koch eines kleinen Fürsten ziemlich weit im Westen, und er
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