Tricontium (German Edition)
es erwartete, als weil ihr sehr danach zumute gewesen wäre. »Im Gegenteil, ich habe Euch dort sehr vermisst. Doch das ist nun überstanden; jetzt brauche ich Euch hier. Erinnert Ihr Euch an Richolf, den Goldschmied?«
»Den kleinen Betrüger?« Otter verscheuchte eine Henne, die sich zu sehr für seinen linken Schuh interessierte.
»Eben den, den ich schon dreimal vor Gericht hatte, ohne ihm etwas nachweisen zu können, ja«, bestätigte Herrad. »Ich will wissen, für wen er in den letzten Monaten gearbeitet hat und ob es da etwas Auffälliges gab, nicht unbedingt Unregelmäßigkeiten im engeren Sinne, aber irgendetwas, das anders war als sonst, neue Kunden, bedeutende Aufträge, oder eine Krankheit, eine Reise … Alles. Ihr werdet schon etwas finden – aber denkt daran, dass ich im Augenblick weder das Niedergericht noch die Tricontinische Mark wirklich innehabe, so dass ich Euch keine Rückendeckung geben kann.«
»Wird schon gehen.« Aus Otters Mund war das ein sicheres Versprechen. »Richolf. Noch etwas?«
»Ja. Ich habe Adela vorgestern mit einer Nachricht nach Aquae geschickt, und sie versicherte mir gestern glaubhaft, sie habe sie dem Kanzler des Vogts auch überbracht. Ich will wissen, ob Herr Geta vor oder nach dieser Nachricht die Stadt verlassen hat, ob er wirklich auf der Jagd ist und was man auf meine Nachricht hin unternommen hat – hat man Boten nach Padiacum gesandt, irgendetwas? Außerdem muss ich wissen, ob in der Stadt Gerüchte über Barsakhanen in Tricontium umgehen.«
Otter pfiff durch die Zähne. »Ihr habt etwas erlebt dort oben, nicht wahr?«
»Mehr, als ich Euch jetzt erzählen könnte. Es ging bis zu Steinwürfen und falschen Geistern. Wigbold ist auf einem Kundschafterritt verschwunden, womöglich von den besagten Barsakhanen getötet.« Sie bedauerte mehr denn je, auf dem Lande keinen zweiten Otter zu haben, der in einer solchen Angelegenheit hätte nützlich sein können, aber Augen und Ohren von dieser Art gediehen nur da, wo es auch regelmäßig etwas zu beobachten gab, und gewiss nicht in der fast menschenleeren Tricontinischen Mark. Dennoch fragte sie nun: »Ihr wisst nicht zufällig jemanden, den wir dort hinaufschicken könnten, um nachzuprüfen, ob tatsächlich geschehen ist, was wir alle befürchten?«
Otter wiegte bedenklich den Kopf. »Das wird schwierig und gewiss auch nicht billig, wenn es jemand sein soll, der sein Handwerk versteht – und den braucht Ihr, wenn es nicht am Ende einen zweiten Toten und immer noch keine Nachricht über den ersten geben soll. Wollt Ihr nicht lieber Ardeija hinschicken? Der ist für solchen Unsinn doch immer zu haben, und auf ihn könnt Ihr Euch besser verlassen als auf die Söldner und Abenteurer, die ich vielleicht auftun könnte.«
»Ardeija ist auf dem Brandhorst gefangen, was mit den anderen Entwicklungen in Zusammenhang stehen mag oder auch nicht.«
»Gefangen?« Die Geste, mit der Otter einige Strähnen seines hellen Haars zurück unter seine Kappe schob, war reichlich hilflos. »Auch das noch. Wie ist es dazu gekommen?«
»Er ist wohl in einen Hinterhalt geraten, als er auf dem Weg von Corvisium nach Tricontium war. Aber was Asgrim sich dabei gedacht hat, weiß nur er allein. Ich habe noch keine Neuigkeiten von Oshelm, der sich darum kümmern soll. Was meint Ihr, habt Ihr bis morgen Mittag etwas für mich?«
»Zumindest einen Anfang.« Im Aufstehen warf Otter einen prüfenden Blick zum Himmel empor. »Oder einen halben Anfang, wenn das Wetter sehr schlimm wird. Dass wir Regen bekommen, steht ohnehin fest, aber wenn sich da oben ein ganzer Sturm zusammenbraut, wundert es mich auch nicht … Haltet Ihr mich über Ardeija auf dem Laufenden?«
»Wenn ich denn etwas höre …« Sie verabschiedeten sich mit einem Nicken voneinander, und Herrad gelangte gerade noch zurück ins Haus, bevor die ersten Regentropfen fielen.
Sie fand die alleingelassenen Besucher mit Ardeijas Truhe beschäftigt, glücklicherweise aber nicht mit ihrer Plünderung, sondern nur mit einer rein äußerlichen Betrachtung. Die bunten Bilder hatten es Wulfin angetan, und das, was sein Vater über die furchterregenden Gestalten zu erzählen wusste, schien seine Begeisterung nur noch zu steigern.
»… und dieser hier, den man den Gelbgefleckten nennt, oder den Herrn der Wasserlöcher und Flüsse, lauert den Reisenden auf, wenn sie ihre Pferde tränken, und wenn sie ihm nicht die nötige Ehrerbietung erweisen, frisst er sie auf.«
»Ganz?« Wulfin
Weitere Kostenlose Bücher