Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Paar? Warum?
Heftiger als beabsichtigt stellte er sie zurück auf den Tisch. »Dossantos hat sie aufgespürt und umgebracht. Sie kann uns nichts mehr über die tatsächlichen Zusammenhänge erzählen. Darüber, wer letztendlich an allem die Schuld trägt. Irgendwie spielt das auch keine Rolle mehr. Sie ist tot.«
»Aber du weißt, was passiert ist.«
»Nein. Das tu ich eben nicht.« Kalkbrenner dämpfte seine Stimme. »Jedenfalls nicht alles.«
»Aber dein Kollege Berger glaubt, dass du mehr weißt, als du zugibst?«
»Was hat denn jetzt Sebastian damit zu tun?«
»Auf der Konferenz heute Mittag war schwer zu überhören – und zu übersehen –,
wie er zu dir steht.«
»Das
hast du mitbekommen?«
Thanner zeigte ein wissendes Lächeln. »Wie sagte Berger noch so schön dem Sinn nach?
Was ist vor drei Monaten übersehen worden
,
und worüber wurde nicht gesprochen?
Sein Blick ging dabei in deine Richtung –
eindeutiger geht es nun wirklich nicht.«
Kalkbrenners Finger spielten fahrig mit der Bierflasche.
»Du solltest mit ihm reden«, schlug Thanner vor.
»Und selbst wenn ich es täte …«
»Er glaubt dir nicht, ist es das?«
»Schlimmer noch!«
»Er vertraut dir nicht mehr?«
»Aletheia«, sagte Kalkbrenner.
»Hä?«
»Das ist griechisch und bedeutet Wahrheit.«
60
Polizeiobermeister Funkels’ Ruhe war so groß wie der Bauch, der sich über die Gürtelschnalle seiner Uniform wölbte. Anna fegte wütend Alans Hand von ihrem Arm und schimpfte: »Sie müssen etwas unternehmen!«
Funkels nickte mitfühlend. »Das tun wir. Aber vorher erzählen Sie mir bitte, was genau passiert ist.«
»Woher soll ich das denn wissen?« Sie schnappte nach Luft. Außerdem hatte sie schon drei-, vier-, nein, fünfmal erklärt, weswegen sie in der Wache im Prenzlauer Berg so einen Aufstand machte. »Mein Sohn ist verschwunden. Manuel ist nach der Schule nicht mehr zu Hause gewesen.«
Der Beamte seufzte. »Ist es nicht normal, wenn ein Jugendlicher …?«
»Aber Manuel ist erst zehn! Er ist noch viel zu jung, als dass er … dass er …« Anna stoppte abrupt.
Dass er was?
Nach der Schule nicht heimkommt? Nicht zu seinen Freunden fährt? Sondern schon seit Wochen …
»
Was?«, fragte Funkels.
Annas Schultern sackten nach unten. »Irgendwie haben Sie ja recht. Es stimmt: Mein Sohn ist schon öfter nach der Schule nicht heimgekommen. Aber er ist auch nicht zu seinen Freunden gegangen. Schon seit Wochen nicht mehr, wie ich heute herausgefunden habe. Aber am Abend war er zu Hause. Jeden verdammten Abend! Immer! Nur eben heute nicht. Ich mache mir Sorgen.«
»Wie?«, mischte sich Alan ein. »Manuel war mittags nicht daheim? Und auch nicht bei Freunden? Aber wo hat er sich dann rumgetrieben? Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
Der Vorwurf in seiner Stimme machte sie verrückt. »Wieso hätte ich dir davon erzählen sollen?«
»Na hör mal, ich bin schließlich sein …«
»Nein, das bist du nicht«, fiel sie ihm ins Wort.
Alan kniff die Augen zu zweifelnden Schlitzen zusammen. »Du hast selbst nicht gewusst, dass er nicht daheim ist, richtig? Warum nicht?«
»Warum? Warum?«, fuhr sie ihn an. Dabei bohrte sie die Fingernägel in den Blazer und wünschte sich, es wäre ihre Haut. Nein, noch besser: Alans Haut. »Warum, meinst du, ging es ihm denn so mies?«
»Anna«, sagte Alan und sah zu dem Polizisten, der den Schlagabtausch aufmerksam mitverfolgte. »Ich glaube, das spielt im Moment keine Rolle.«
»Ach ja? Und ob das eine Rolle spielt! Du warst es doch, der mich im Stich gelassen hat. Du hast mich doch dazu gezwungen, dass …«
»Anna«, unterbrach Alan sie. »Es geht hier weder um dich noch um mich. Und ausnahmsweise auch nicht um die Agentur, falls du darauf hinausmöchtest. Lass die Arbeit bitte ein Mal aus dem Spiel. Diesmal geht es einzig und allein um Manuel.«
Unangenehmes Schweigen erfüllte das Revier. Polizeiobermeister Funkels ließ einige Sekunden verstreichen, dann sagte er: »Familiäre Probleme sind häufig der Grund, weshalb Kinder nicht mehr nach Hause kommen.«
»Aber wieso sollte Manuel nicht nach Hause kommen wollen?«, tobte Anna. »Das ist doch …«
Der Beamte räusperte sich. »Es tut mir leid, aber ich muss Ihnen diese Fragen stellen: Besteht bei Ihrem Sohn Suizidgefahr?«
»Was reden Sie da?«, entfuhr es Anna entsetzt.
Manuel und Selbstmord?
Wie zur Antwort tauchte sein kleines, rundes Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf. Ihr Sohn schaute sie mit seinen
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