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Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Maria war die Einzige, für die Jessy noch das kleine Baby war, das sie einst im Kinderwagen durch den Park geschoben hatte. Hier draußen im Jetzt, in der wirklichen Welt, war Jessy längst zur Frau gereift, erwachsen geworden. Das zu sehen machte Kalkbrenner zugleich stolz und traurig, denn es hielt ihm vor Augen, wie viel er in den letzten Jahren versäumt hatte. Er gab sich einen Ruck. »Ich habe versucht, dich zu erreichen.«
    »Ich weiß.«
    »Du hast bestimmt viel zu tun.«
    »Ja, das Studium ist ganz schön zeitaufreibend.«
    »Wie läuft es denn?«
    »Ist anstrengend, macht aber Spaß.«
    Schon als Kind hatte Jessy leidenschaftlich gerne gemalt. Später in der Schule hatten sich die Aquarelle, Ölbilder, Porträt- und Aktstudien aus dem Kunstunterricht in ihrem Zimmer gestapelt. Freilich erschöpfte sich Kalkbrenners Kunstverständnis in den beiden Urteilen »Schönes Bild«
und »Schlechtes Bild«
.
Aber er fand, dass das Ölbild, das sie für ihn gemalt hatte und das demnächst einen Ehrenplatz in seinem neuen Wohnzimmer erhalten würde, von ihrem außerordentlichen Talent zeugte. Das mussten doch auch die anderen erkennen, die Lehrer und Professoren zum Beispiel. »Und die Klausuren sind überstanden?«
    »Die ersten, ja.«
    »Mit guten Noten, oder?«
    »Könnte besser sein.«
    Wieder herrschte quälendes Schweigen zwischen ihnen. »Und bei dir und Leif ist auch alles in Ordnung?«
    Leif war Jessys Freund, mit dem sie seit dem letzten Sommer liiert war. »Das wiederum könnte nicht besser sein.«
    »Das freut mich, ehrlich.«
    Vor dem Krankenhauseingang bremste ein Taxi, aus dessen Fond ein Mann sprang. Er umrundete schlitternd den Wagen, rutschte auf dem Schneepulver aus, öffnete die andere Hintertür und half seiner schwangeren Frau aus dem Auto, die sich stöhnend den kugelrunden Bauch hielt.
    »Ich muss dann mal«, sagte Jessy.
    Mit einem Satz.
»Ja, hast recht. Ist ja auch schon spät.«
    »Ich muss noch für die Prüfungen lernen.«
    »Weißt du, ich würde dich ja gerne nach Hause fahren, aber …«
    »Ist schon okay.«
    »Ich bin selbst mit der U-Bahn hier.«
    »Es ist vollkommen okay, Paps.«
    Paps
,
echote es in seinem Schädel.
Paps.
    Schnee umwirbelte jetzt Jessys dichtes, braunes Haar. Eine weiße Flocke landete direkt auf ihrer Nasenspitze. Wie durch einen Nebel hörte er sie sagen:
Es war schön
,
dich zu sehen.
Aber nein, in Wirklichkeit winkte sie ihm nur kurz zu: »Wiedersehen.« Dann schloss sich der Schnee wie ein Vorhang hinter ihr.
Wiedersehen!
,
hatte sie gesagt. Kalkbrenner beschloss, das trotzdem als den Anfang zur Verbesserung ihrer Beziehung zu werten.

40
    »Es ist leider nicht sauber hier.« Tabori zwängte sich durch den schmalen Spalt in die Baustellenkammer, die ihm schon in der letzten Nacht als Schlafgelegenheit gedient hatte.
    »Aber warm.« Aidan lehnte sich erleichtert seufzend an das Heizungsrohr. »Nanu, wer ist denn das?« Aus der Ecke fixierten sie zwei gelbe achtsame Augen. »Ist das deine Katze?«
    Tabori kraulte den Stubentiger, der daraufhin zu schnurren begann. »Nein, sie war schon vor mir hier.«
    »Hat sie einen Namen?«
    Aus einem Impuls heraus sagte Tabori: »Ja, sie heißt Gentiana.«
    »Ein schöner Name.«
    »Ja, fand ich auch.« Aus seiner Gesäßtasche zog er seine Fotos und heftete sie an die Nägel in der Wand. Als er sich danach neben Aidan niederließ, sprang die Katze sofort auf seine ausgestreckten Beine. Tabori streichelte sie, während ihrer Kehle ein gleichförmig dunkler Ton entwich.
    »Wer ist das?« Aidan bestaunte die Bilder. »Da, neben deinem Cousin. Sie ist sehr hübsch.«
    »
Das
ist Gentiana«, verriet Tabori nicht ohne Stolz.
    Aidans Blick wanderte langsam zu der Katze. »Ich verstehe.«
    Tabori hatte keine Ahnung, was es da zu verstehen gab.
    »Und auf dem Bild daneben? Deine Mutter?«
    »Ja, zusammen mit meinem älteren Bruder Mickael.«
    »Was ist mit ihm? Er sieht irgendwie komisch aus. Ist er krank?«
    »Irgendwie schon. Er redet blödes Zeug, macht sich in die Hose und sabbert. Eigentlich ist er gar nicht wie ein großer Bruder, eher wie ein Baby.« Tabori wollte nicht weiter über Mickael reden. »Hast du auch Geschwister?«
    »Ja, einen Bruder. Aber ich weiß nicht, wo er ist.«
    »Wieso denn nicht?«
    »Ist halt so«, brauste Aidan auf. »Du kannst ja auch nicht genau sagen, was dein Bruder für eine Krankheit hat.«
    Der barsche Tonfall hielt Tabori von weiteren Fragen ab. Für eine Weile sagte keiner von ihnen etwas,

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