Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
kramte er hektisch einen Schlüsselbund, den er fest umklammerte, damit er in der Stille nicht verräterisch klimperte.
Die Luft in dem Zimmer war leicht abgestanden, aber zum Glück hatte man zuvor bereits oft genug gelüftet, sodass sich wenigstens der typische Geruch von Alter und Krankheit verflüchtigt hatte. Zwei der Männer, groß gewachsen, breitschultrig und muskulös, begannen, ihre Arbeit aufzunehmen. Sie stemmten eines der beiden Sofas auf ihre Schultern und schleppten es zum Lieferwagen, der draußen vor dem Haus parkte.
Der dritte Mann, der die Tür geöffnet hatte und ungleich kleiner als seine beiden Begleiter war, setzte sich auf das Bett. Dem Laken entwich ein Hauch von 4711
.
»
Herr Kalkbrenner, Sie?« Peer rauschte in den Raum. »Das ist aber … eine Überraschung.«
Peer gehörte zu den Pflegern des St.-Antonius-Stiftes, die sich bis zu Käthe Marias Herzanfall um sie gekümmert hatten. Als die beiden starken Männer ins Zimmer zurückkehrten, schoben sie ihn galant beiseite.
»Irgendwann musste es doch getan werden«, meinte Kalkbrenner.
»Schon, aber so früh?«
»Ich dachte, ich sei bereits zu spät dran?«
Der Pfleger überging die sarkastische Spitze. »Wie geht es Ihrer Mutter?«
»Nicht besser.«
»Das tut mir leid. Sie war eine so liebe, lebenslustige Frau. Die Ärzte gehen also nicht davon aus, dass sie zurückkommt?«
Die beiden Möbelpacker, die Kalkbrenner mitsamt Lkw für diesen Morgen bei einer kleinen Umzugsfirma gebucht hatte, widmeten sich mittlerweile dem Couchtisch. »Ich dachte, das wüssten Sie längst?«, sagte Kalkbrenner.
»Na ja …« Der Pfleger hüstelte verlegen. »Wir stehen mit dem behandelnden Arzt in Kontakt.«
»Na also.«
»Aber Ihre Mutter ist lange Zeit unser Gast gewesen. Wir alle haben sie gemocht und nehmen an ihrem Schicksal Anteil.«
Aus gutem Grund. »
Sie haben unseren Anruf also erhalten?«
Aus diesem Grund.
»Wäre ich sonst hier?«
Peer schien sich für einen Moment kleiner machen zu wollen, als er war. »Sie dürfen das nicht falsch verstehen, Herr Kalkbrenner, Pflegeplätze sind eben rar. Es gibt eine große Nachfrage, und wenn ein Zimmer nicht mehr gebraucht wird, dann …«
Einer der Umzugshelfer fluchte. Er konnte an der glatten Tischkante keinen richtigen Halt finden. Das schwere Ungetüm senkte sich gefährlich schräg Richtung Boden, bevor es der Möbelpacker im letzten Moment zu fassen bekam. »Alles in Ordnung«, versicherte er Kalkbrenner, der von dem heiklen Unterfangen kurz abgelenkt worden war.
Dann nickte Kalkbrenner dem Pfleger wieder zu. »Deswegen bin ich hier.«
»Und was die Kosten für das Zimmer betrifft«, wand sich Peer, »also, der Januar ist ja schon angebrochen, und eigentlich war das Zimmer nur bis Dezember …«
»Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich gleich mit dem Geschäftsführer rede. Ist er da?«
»Ich glaube schon.«
Bis auf die beiden Möbelpacker, die den Couchtisch zur Tür hinausschleppten, machte niemand Anstalten, sich vom Fleck zu bewegen.
»Vielleicht könnten Sie ihn kurz holen?«, schlug Kalkbrenner dem Pfleger vor und lehnte sich auf der Matratze zurück. Es war die eine Hälfte von Käthe Marias Ehebett. Daneben stand noch die Nachtkommode, ein Überbleibsel der biederen Sechziger. Aus der gleichen Zeit stammten auch die beiden Couchelemente mit dem Nierentischchen, die er von der ehemals umfangreichen Wohnzimmergarnitur seiner Eltern ins Pflegeheim hinübergerettet hatte. An der Wand hing nur ein schmales Holzbrett, auf dem zwei kleine Bilderrahmen standen. Die Fotos zeigten seine Mutter mit ihrem Mann, Pauls Vater, und Kalkbrenner als kleinen Jungen. Daneben lag eine offene Schmuckschatulle, die Ketten, Ringe und Ohrclips enthielt.
In dem Ungeheuer von Nussbaumschrank stapelten sich Kleider, Bettwäsche und ein paar weitere Fotos. Den Großteil der Bilder hatte Kalkbrenner im letzten Herbst entsorgt, direkt nachdem seine Mutter den Herzanfall erlitten hatte, und wenige Tage, nachdem er selber … Er bremste seine Gedanken.
Erst wenn man alles hinter sich gelassen hat
,
hat man die Freiheit
,
etwas Neues zu beginnen.
Das Klingeln seines Handys durchbrach die frühmorgendliche Stille. Es war Sera Muth. »In der vergangenen Nacht hat die niederländische Polizei Marten Peglar am Flughafen von Amsterdam verhaftet. Offenbar wollte er sich nach Madrid absetzen.«
»Das ist ja eine Überraschung. Dürfen wir ihn vernehmen?«
»Rita kümmert sich schon um das
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