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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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die wilden Hecken und Büsche nach draußen.
    Er braucht nicht lange auf den Bus zu warten. Zum Glück muß er nicht umsteigen. Die Nummer 6 ist die direkte Verbindung zwischen San Giovanni und Barcola.
    Die vielen Schlaglöcher und die kurvenreiche Strecke durch die Altstadt verstärken das flaue Gefühl in seinem Magen. Er holt den Rotwein aus seiner Manteltasche und leert den Rest der Flasche. Nun fühlt er sich gewappnet für das Wiedersehen mit seinem verrückten Freund.
    Die letzten hundert Meter bis zum ›Hotel Orient‹ kommen mir endlos lange vor.
    Typisch, daß der sparsame Giorgio ausgerechnet diese miese Absteige für unsere Rendezvous gewählt hat. Das Haus schreit förmlich nach Abbruch. Nicht nur das Dach ist undicht, auch die Mauern haben gefährliche Sprünge. Eines Tages wird das ganze Puff über Brunos Haupt zusammenkrachen. Eigentlich gar keine so unangenehme Vorstellung: Der schöne Bruno begraben unter den Trümmern seines Bordells, das hübsche Gesicht kreidebleich, das schwarze Haar mit grauem Staub gefärbt, die langen, schlaksigen Glieder zerschmettert, sein klägliches Schwänzchen zerbröselt zu Brei ... Recht würde ihm geschehen!
    Giorgio will nicht glauben, daß mir dieser Perversling nachstellt. Nicht nur einmal hat er mir, als er mir den Schlüssel fürs Zimmer gegeben hat, Sauereien ins Ohr geflüstert. Aber ich fürchte mich nicht wirklich vor ihm. Ein Wort zu Enrico, und dieser ekelhafte Kerl macht seinen Mund überhaupt nie mehr auf. Aber leider kann ich mich ausgerechnet bei Enrico nicht über ihn beschweren.
    Giorgio ist eben kein Kavalier. Manchmal frage ich mich ernsthaft, warum ich mich überhaupt mit ihm eingelassen habe. Er sieht gut aus, zugegeben, doch seine Potenz läßt zu wünschen übrig. Er braucht immer endlos lange, bis er kommt, und bildet sich auch noch ein, mir damit ein außergewöhnliches Vergnügen zu bereiten. Manchmal krieg ich einen richtigen Scheidenkrampf, obwohl ich wahrlich nicht an Vaginismus leide.
    Die Eingangstür des ›Orient‹ steht offen – als würde mich Bruno bereits erwarten. Zum Glück ist er nirgends zu sehen. Heilfroh, nicht seinen lüsternen Blikken ausgesetzt zu sein, nehme ich den Schlüssel von Zimmer 7 vom Bord und gehe hinauf.
    Wir haben immer Zimmer Nummer sieben. Ich bin sehr abergläubisch, und die Sieben ist nun einmal meine Glückszahl.
    Die Zimmer im ›Orient‹ bieten keinerlei Komfort. Dusche und Klo befinden sich im Gang, und der kleine, mit Holzpfählen abgestützte Balkon kann nicht benützt werden. Natürlich gibt es auch keine Klimaanlage.
    Das große Messingbett nimmt fast die Hälfte des Raumes ein.

Ich setze mich auf den Rand des Bettes und schau mich in dem schäbigen Zimmer um.
    Die rosa Blümchentapete schält sich von den Wänden, und der rote Teppichboden ist mit dunklen Flecken übersät. Das verblichene Muster übt eine eigenartige Faszination auf mich aus. Die blaßrosa Ornamente dürften ursprünglich wohl einmal rot oder rotbraun gewesen sein. Ich zähle die Reihen, verzähle mich und beginne von neuem.
    Die Hitze treibt mir schon im Sitzen den Schweiß auf die Stirn. Das dünne Strickkleid klebt an meinem Körper, und unter meinen Achseln machen sich häßliche, dunkle Flecken breit. Auch meine Hände sind feucht, und meine Fingernägel haben dunkle Ränder, obwohl ich sie heute morgen gereinigt habe.
    Durch die nur halbgeschlossenen Jalousien dringen vereinzelt Sonnenstrahlen in das dunkle Zimmer. Die Luft ist abgestanden. Ich stehe auf, öffne das Fenster, schließe aber die Jalousien, die dringend einen neuen Anstrich benötigen.
    Im Zimmer wird es nicht kühler. Der niedrige, schlauchartige Raum hat keine Chance abzukühlen. Seit Monaten ist kein Regen mehr gefallen.
    Meine Augen gewöhnen sich rasch an die Dunkelheit. Ich schäle mich aus meinem roten Kleid und hänge es in den leeren Schrank. Meine Unterwäsche behalte ich an. Ich will Giorgio nicht des Vergnügens berauben ...
    Wo bleibt er bloß? In letzter Zeit verspätet er sich oft.
    Die Stille wirkt bedrückend auf mich. Auch von draußen dringen kaum Geräusche an mein Ohr.
    Siesta. Die ganze Gegend ist wie leergefegt. Jeder normale Mensch sucht hinter dicken, weißen Mauern Schutz vor der Mittagshitze. Was soll man sonst schon bei fünfunddreißig Grad im Schatten anfangen?
    Ich betrachte mein Gesicht im Spiegel gegenüber dem Bett. Auch so ein spezieller Service des Hauses, an allen Wänden und sogar an der Decke sind Spiegel

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