Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Tätigkeiten beschäftigt ist. Wenn seine fünf, sechs Sinne gefordert werden, und selbstverständlich kommt der Flow eher selten, wenn man mit dem Aberwitz der Existenz konfrontiert wird. Aber die Lehre Csikszentmihalyis ist ja auch keine Heilslehre, sie ist, ähnlich Vipassana, eine durch und durch gottlose Anregung, um den Quotienten an Freude und Erfüllung zu heben. Wer den Swing und den Flow besitzt, hat etwas, das – nehmen wir nur ein Beispiel – eine Couch-Potato-Niete nie haben wird. Die verzappt ihr Leben, die steht zur Verfügung, eine Niete verfügt über nichts. Sie hört keine Glückshormone, bei ihr rauscht nur der träge Abgesang eines verlorenengegebenen Lebens durch den Kartoffelleib. To flow heißt, wörtlich: fließen, strömen, fluten. To zap heißt, wörtlich: zappen, abknallen, auslöschen.
Irgendwann tauche ich wieder auf, an der Erdoberfläche, der Tiefenrausch lässt nach. Und Gedanken kommen wieder, Erinnerungen. Gut so, sie helfen, um (nochmals) etwas klarzustellen: Soll keiner auf die abseitige Idee kommen, hier einen Reiseführer ins Glück zu lesen. Dämlichere Bücher als jene, die den Leser mit »Tips for happiness« schikanieren, sind schwer zu finden. Die Schreiberlinge leben davon, dass die Tipps nicht funktionieren. Und dass noch immer die verstiegene Idee umgeht, dass des Menschen einziges Ziel das Glück sei. Vipassana (oder Csikszentmihalyis Vorschläge) soll mir die Herzmuskeln stärken. Auf dass ich das Glück und seine Schatten, die Einsamkeit, die Kälte, den Irrwitz ertrage, in vollen Zügen. Beides eben: das Glück und das Malheur. Die Aussicht auf pausenlose Seligkeit ist nicht weniger furchteinflößend als der Blick auf den trägen Sack, der glücklos sein Leben verglotzt.
Alles, was ich will, ist alles. So einfach ist es.
Vor dem Eingang der Buddha Hall , in der Bhagwan einst seine morgendlichen Reden hielt, stand ein Schild: »Leave your mind and shoes behind.« Die Schuhe ließ ich zurück, ohne Widerrede. Aber meinen Verstand nahm ich mit. Immer. Was für ein Ansinnen, mir das Denken, das Mitdenken, abspenstig zu machen. Einer spricht zu mir und ich soll hirnlos mit dem Kopf wackeln. Soll nur »fühlen«. Als ob Denken das Böse sei und Spüren das immer Wahre und Gute. Das klingt ergreifend schwachsinnig. Auch Gefühle täuschen, verführen in die Irre, haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun.
Ein schnelles Blättern im Geschichtsbuch könnte zum Nachdenken einladen: Die abgründigsten Schurken wurden von ihren Völkern geliebt (wenn das kein Gefühl ist) und angebetet (funktioniert auch mit einem IQ von minus 300). Und »die Liebenden« wachten hinterher aus ihren »echten und wahren« Gefühlen wieder auf. Umgeben von Leichenbergen und Trümmerhaufen. Wäre doch nicht verkehrt gewesen, wenn sie ein bisschen Hirn aktiviert hätten: bevor sie für ihre geliebten Führer schlachteten und/oder sich schlachten ließen.
Noch eine Randbemerkung zu Bhagwan (für den so mancher vor Vergötterung in Ohnmacht fiel): Auch sein Liebesmeer vertrocknete. Die Bewegung zog nach Amerika und verkam im Neoliberalismus. Bald standen dreiundneunzig Rolls Royce auf dem Parkplatz des Ashrams im Bundesstaat Oregon. Zuletzt hing der »Erleuchtete« am Lachgas, zwischen galoppierendem und unheilbarem Größenwahn schwankend, während ein Teil des »inneren Zirkels« per Mordversuch und Hetzkampagnen um seine Nachfolge kämpfte.
Da lobe ich mir den Goenka. Der hat es inzwischen auf 85 Jahre gebracht und nicht einmal, nicht ein einziges Mal, kam eine Nachricht über ihn in die Welt, die etwas anderes betraf als seine Absicht, eine Meditationstechnik namens Vipassana zu verbreiten. Gratis, beharrend, ohne Leibwächter und Chauffeure, ohne Schein und Scheinheiligkeit.
Der Rest des Nachmittags vergeht mit »Arbeit«, den gelingenden und wieder scheiternden Versuchen, mich auf den Augenblick zu konzentrieren. Ich verstehe, warum so viele vor dem Meditieren zurückschrecken. Wer es einmal probiert hat, wird noch am selben Tag begreifen, dass eine Willenskraft gefordert wird, für deren Investition so schnell keine Belohnung wartet. Sofort kommt nur die Mühsal, Gewinne werden eher später eingefahren. Aber wenn, dann sind sie nicht zu bezahlen, dann hat jeder Schmerz sich amortisiert. Für wenige Dinge in der Welt gäbe ich heute die Dividenden her, die ich dem unbeweglichen Sitzen verdanke. Und jedem, der wieder einmal nicht zufrieden mit mir ist, weil ich nicht konzentriert bin,
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